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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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lächelte, obwohl ihm nicht danach zumute war. Die Morgenluft schien den Mief im Zimmer neu belebt statt vertrieben zu haben, es kam Tobey vor, als seien die Gerüche noch intensiver geworden. Er war müde und durstig und ein wenig wütend auf Montgomery, der ihn hierhergeschleppt hatte, und wollte einfach nur zu Rosalinda und ihrem Kaffee und ihrem verlässlichen Schweigen.
    »Wo ist denn nur Diego, zum Donner?« Die Frau schlug mit den Handflächen auf die Matratze, ein kleines Mädchen im Körper einer alten Frau.
    »Ich werde ihn suchen«, sagte Tobey und eilte hinaus.
     
    Im Schatten des Baumes war es einigermaßen kühl. Hin und wieder kam ein leichter Windstoß vom Meer her, gerade stark genug, um die Grashalme, die nicht geschnitten waren, leicht zu bewegen. Tobey lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm, aber dann liefen Ameisen über seinen Arm, und er zog das Hemd aus und schüttelte es. Einen Meter vom Stamm entfernt setzte er sich ins Gras und wartete auf Montgomery, der im Haus geblieben war. Sein Kopf wog schwer von all den Informationen, die auf ihn eingeprasselt waren, seit er die Insel betreten hatte, und mit denen er so wenig anfangen konnte wie mit den herausgetrennten Seiten eines Buches, dessen Inhalt er nicht kannte. Er wusste, dass Tanvir ihn belog und in dem Bunker unter dem Hügel synthetische Drogen herstellte, dass hier bis vor kurzem Experimente mit Menschenaffen durchgeführt worden waren und dass in der verlotterten Villa eine alte demente Texanerin wohnte. Und dass Megan hier gestorben war und auf dem Friedhof lag, das wusste er auch. Aber die Liste der Dinge, die er nicht wusste, war länger. Er breitete das Hemd auf dem Rasen aus und legte sich hin. Ein paar Wolken schimmerten weiß im Himmel, dessen Blau zusehends satter wurde. Der Wind hörte endgültig auf zu wehen, die Luft stand jetzt, füllte sich mit Hitze. Wie eine Ladung Schrot in einem Zeichentrickfilm schoss eine Handvoll Vögel vorbei. Von Zeit zu Zeit surrte ein Insekt. Wenn es ihm zu nahe kam, wischte Tobey mit der Hand durch die Luft. Als er die Augen zumachte, breiteten sich dunkle Flecken auf der Innenseite seiner Lider aus, Tinte auf einem Löschblatt. Er hörte Megans Stimme, sie trällerte ein Kinderlied, statt ihm zu erzählen, was geschehen war.
     
    Ein Käfer landete auf Tobeys Bauch, die winzigen Häkchen an seinen Füßen krallten sich ins Fleisch. Tobey schnellte mit dem Oberkörper hoch, und der Käfer fiel ins Gras, eine polierte schwarze Kugel, haselnussgroß. Tobey rieb sich die Augen. Er hob den Blick zum Himmel, wo die Wolken standen, ohne ihre Form verändert zu haben, und wusste, dass ernicht lange gedöst haben konnte. Dann sah er Montgomery, der an einem offenen Fenster im oberen Stockwerk der Villa stand und winkte. Tobey stöhnte, erhob sich, zog das Hemd an und ging zum Haus.
    Vor der Tür überlegte er, ob er nicht besser umkehren und endlich frühstücken sollte, seufzte aber nur und ging hinein. Im Vorraum blieb er stehen, horchte auf Geräusche hinter der geschlossenen Flügeltür und stieg dann leise die Treppe hoch, an deren Ende Montgomery auf ihn wartete. Tobey zeigte auf seinen Bauch und führte ein imaginäres Glas an die Lippen, doch Montgomery schenkte ihm keine Beachtung und öffnete eine von vier Türen. Tobey fluchte leise und folgte ihm.
    Die Wände des Zimmers, das er betrat, waren aus weißgestrichenem Holz, der Boden aus dunklen, lackierten Brettern, genau wie im Erdgeschoss. Durch ein Fenster sah man ein Stück Wiese und den Baum, in dessen Schatten Tobey gelegen hatte. Der Raum war bis auf ein Bettgestell, zwei Stühle und einen zusammengerollten Teppich leer. Ein loses Kabel hing von der Decke, an einer Wand lehnte eine Glasscheibe mit einem Sprung.
    »Und jetzt? Was soll ich hier?« Tobey machte sich nicht einmal mehr die Mühe, seine Stimme zu senken. Er stand zwischen den beiden Stühlen am Fenster, hob die Arme und ließ sie wieder sinken. Tote Insekten lagen auf dem Fenstersims und am Boden.
    Montgomery legte den Zeigefinger der rechten Hand an die Lippen, ging zu der zusammengeschnürten Teppichrolle, steckte den Arm bis zur Schulter hinein und zog ein in braunes Papier gewickeltes Bündel hervor. Er setzte sich hin, legte das Bündel in die Schale seiner gekreuzten Beine und wartete, dass Tobey sich zu ihm setzte.
    »Was ist das? Noch ein Haufen Formulare und Tabellen?«
    Montgomery löste die Schnur und faltete das Packpapier auseinander, bedächtig und

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