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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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Führung ge- wannen wir schnell an Feld und kamen leise voran. Nur hin und wieder strich aus den Wipfel-Nestern mit schwerem Flügelschlag ein Vogel ab. Und lautlos kreisten Schwärme von Fledermäusen im Fackel- schein.
     Bald glaubte ich den Hügel an der Lichtung zu erkennen; er glänzte im matten Widerstrahle einer Feuersglut. Wir machten halt und hörten nun auch Stimmen herüberdringen, doch nicht so prahlend wie vorhin im Moor. Es schien, daß dort Abteilun- gen von Förstern die Wälder sicherten, und Belovar gedachte, mit ihnen auf die gleiche Weise aufzu- räumen wie mit dem Gaunervolk. Er zog die Hetzer vor und ließ sie wie zum Wettlauf in eine Linie stellen, dann sandte er sie wie leuchtende Geschosse in die Nacht. Indes sie hechelnd durch die Büsche fuhren, hörten wir drüben Pfiffe und dann ein Heu- len, als ob der wilde Jäger selbst erschienen wäre, der sie empfing. Sie waren auf die Bluthund-Meute aufgelaufen, die der Oberförster in seinen Zwingern hielt.
     Fortunio hatte mir über diese rüden Beißer und ihre Wut und Stärke einst Dinge, die an die Fabel streiften, mitgeteilt. In ihnen hatte der Oberförster die Cuba-Dogge fortgezüchtet, die rote Farbe und schwarze Maske trägt. Die Spanier hatten diese schwere Doggen vor Zeiten abgerichtet, Indianer zu zerreißen, und hatten sie in alle Länder ausgeführt, in denen es Sklaven und Sklaven-Halter gibt. Mit ihrer Hilfe hatte man auch die Schwarzen von Ja- maika, die ihren Aufstand mit der Waffe bereits ge- wonnen hatten, ins Joch zurückgeführt. Ihr An- blick wird als fürchterlich beschrieben, denn die Empörer, die das Eisen und das Feuer verachtet hatten, boten, kaum daß die Sklavenjäger mit den Koppeln gelandet waren, die Unterwerfung an. Das Leittier der roten Meute war Chiffon Rouge, dem Oberförster teuer, weil er in gerader Linie von dem Bluthund Becerillo stammte, dessen Name mit der Eroberung von Cuba so unheilvoll verbunden ist. Es wird berichtet, daß sein Herr, der Hauptmann Jago de Senazda, seinen Gästen zum Augenschmause gefangene Indianerinnen von ihm in Stücke reißen ließ. So kehren in der menschlichen Geschichte stets die Punkte wieder, an denen sie in reines Dämonen- Wesen abzugleiten droht.
     Bei diesen fürchterlichen Rufen erkannten wir, daß unsere leichte Meute, noch ehe wir Hilfe schicken konnten, verloren war. Sie mußte um so schneller vernichtet werden, als sie aus reinem Blute stammte, das bis zum Tode kämpft, anstatt zurückzugehn. Wir hörten die roten Koppeln, nachdem sie an- geschlagen hatten, packen; und in dem Maße, in dem ihr Heulen lechzend in Fell und Fleisch verstummte, erstickte winselnd der helle Windspiel- Ruf.
     Der alte Belovar, der seine edlen Tiere im Nu ge- opfert sah, begann zu toben und zu maledeien, und durfte doch nicht wagen, ihnen noch die Molosser nachzuwerfen, denn diese blieben jetzt unsere stärkste Karte im Ungewissen Spiel. So rief er den Knechten zu, sich wohl zu rüsten, und diese rieben Brust und Lefzen der großen Tiere mit Bilsen- Branntwein ein und halsten ihnen zum Schutz die Stachelgurte um. Die anderen steckten zum Kampf die Fackeln an tote Äste auf.
     Das war im Nu geschehen, und schon, kaum daß wir wieder Stand gefaßt, brach wie ein Wetter die rote Meute über uns herein. Wir hörten sie durch die dunklen Büsche brechen; dann sprangen die Bestien in den Umkreis, auf dem der Fackelschein wie Koh- len-Schimmer lag. Die Spitze hielt Chiffon Rouge, um dessen Hals ein Fächer von scharfen Klingen funkelte. Er hielt den Kopf gesenkt und ließ die Zunge geifernd am Boden wehen; die Lichter blink- ten spähend von unten her. Von weitem sah man die gebleckten Reißer blenden, von denen das un- tere Paar gleich Hauern die Lefzen überstand. Das Ungeheuer sprang trotz seiner Schwere in leichten Sätzen vor — in queren, tänzelnden Fluchten, als ob es im Übermaß der Kraft verschmähte, uns in ge- strecktem Laufe anzugehen. Und hinter ihm er- schien in schwarz und roter Zeichnung die Blut- hund-Meute im Fackelschein.
     Bei diesem Anblick erschollen Schreckens-Schreie, und Rufe nach den Molossern wurden laut. Ich sah den alten Belovar voll Sorge nach seinen Packern blicken, doch zogen die stolzen Tiere, die Augen scharf nach vorn gerichtet und die Ohren hoch auf- gestellt, in unerschrockener Haltung die Koppel an. Da lachte der Alte mir zu und gab das Zeichen, und wie von einer scharf gespannten Sehne ab- geschossen, flogen die gelben Doggen auf die roten zu. An

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