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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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die bis an die Schultern reichten, sich auf die Hunde und koppelten sie mit Korallen-Riemen fest. So ging es mit verlöschten Fackeln aus dem Tore und über die letzten Marken den Wäldern zu.
     Der Mond war aufgegangen, und in seinem Scheine gab ich mich den Gedanken hin, die uns beschlei- chen, wenn wir ins Ungewisse gehn. Erinnerungen herrlicher Morgenstunden stiegen in mir auf, in denen wir bei der Vorhut vor unseren Zügen ritten, und hinter uns in kühler Frühe der Chor der jungen Reiter klang. Da fühlten wir das Herz so festlich schlagen, und alle Schätze dieser Erde wären uns gering erschienen gegenüber der nahen Lust am scharfen und ehrenvollen Gang. Oh, welch ein Unterschied war zwischen jenen Stunden und dieser Nacht, in der ich Waffen, die den Krallen und Hör- nern von Ungeheuern glichen, im bleichen Lichte glitzern sah. Wir gingen in die Lemuren-Wälder ohne Menschenrecht und -satzung, in denen kein Ruhm zu ernten war. Und ich empfand die Nichtig- keit von Glanz und Ehre, und große Bitterkeit.
     Doch war es mir ein Trost, daß ich nicht wie beim ersten Male, als ich Fortunio suchte, im Banne ma- gischer Abenteuer kam, sondern in guter Sache und berufen durch hohe Geistesmacht. Und ich be- schloß, mich nicht der Furcht anheimzugeben und nicht dem Übermut.

                           23.
    Noch in der Nähe des Hofes teilten wir zum Vor- marsch ein. Wir schickten Späher aus und ließen ihnen die Hetzer-Koppeln folgen, während der Haupttrupp mit der schweren Meute den Zug be- schloß. Das Mondlicht war so hell geworden, daß man in seinem Schein Geschriebenes lesen konnte; daher behielten, solange wir noch auf den Weide- gründen schritten, die einzelnen Abteilungen sich leicht in Sicht. Auch sahen wir zu unserer Linken wie schwarze Lanzen die drei hohen Pappeln und in der Front die dunkle Masse des Filler-Hornes, so- daß sich ohne Mühe die Richtung halten ließ. Wir schritten auf den Bogen zu, in dem die Sichel des Filler-Hornes dem hohen Holz entsprang.
     Ich hatte meinen Platz zur Seite des alten Blut- rächers bei der leichten Meute, und wir behielten von dort die Spitze im Gesicht. Als sie den Schilf- und Erlengürtel erreichte, der das Moor begrenzte, sahen wir sie stutzen, dann drang sie in eine Lücke ein. Kaum war sie unserem Blick entschwunden, da hörten wir ein böses, schwirrendes Schnappen wie von einem Eisen-Rachen und einen Todes- schrei. Die Späher stoben aus den Büschen aufs Feld zurück, indes wir eilig vorwärts strebten, um sie auf- zufangen und zu erfahren, was es gab.
     Wir fanden die Blöße, durch die die Späher ein- gedrungen waren, kniehoch mit Ginster und Heide- kraut bestellt. Sie glänzte im Mondlicht, und in ihrer Mitte bot sich den Blicken ein schlimmes Schauspiel dar. Gleich einem Wildbret sahen wir dort einen von den jungen Knechten im schweren Eisenbügel einer Falle aufgehängt. Die Füße berührten kaum den Boden, und Kopf und Arme hingen rücklings ins Kraut hinab. Wir eilten zu ihm und erkannten, daß ihn ein Gimpelfänger gegriffen hatte — wie der Alte die schweren Teller-Eisen nannte, die er auf Menschen-Pfaden verborgen stellen ließ. Der scharfe Rand des Bügels hatte ihm die Brust zerschnitten, und ein Blick genügte, um zu erfassen, daß Rettung nicht möglich war. Doch spannten wir mit verein- ten Kräften die Feder, um den Leichnam aus der Umklammerung zu befreien. Wie fanden dabei, daß der Bügel nach Art der Haifisch-Kiefern mit spitzen Zähnen aus blauem Stahl bewaffnet war, und schlos- sen, nachdem wir den Toten auf die Heide gebettet hatten, den Rachen behutsam wieder zu.
     Es war wohl anzunehmen, daß Spürer die Falle überwachten, und wirklich hörten wir, als wir noch schweigend um das hingestreckte Opfer der niedern Waffe standen, ein Rauschen in den nahen Büschen und dann ein lautes, höhnisches Gelächter in der Nacht. Nun wurde es rege im Mooricht, wie wenn man Krähen am Schlafplatz stört. Es ging ein Bre- chen und Schleifen durch die Kiefernstücke und ein Rascheln entlang den dunklen Gräben, an denen der Alte die Entenhütten hielt. Zugleich ertönte das Moor von Pfiffen und wüsten Stimmen, als ob ein Rattenschwarm in ihm sein Wesen trieb. Wir hörten, wie das Gesindel sich ermutigte, so wie es im Schlamm der Gossen und der Bagnos sich erkühnt, wenn es der Mehrzahl sicher ist. Und in der Tat schien es in großer Übermacht, denn wir vernahmen die frechen Lieder der Schelmen-Zünfte nah und fern.

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