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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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in Anschlag gehen wollte, die Deckung auf. Da faßte mich die Jagdgier, und der Eifer, die Lieblings-Dogge des Oberförsters zu erlegen, verführte mich, ihr nach- zuspringen, als ich sie wieder im Qualm verschwin- den sah, der wie ein breiter Bach an mir vorüber- floß.
    25.
    Im dichten Rauche glaubte ich hin und wieder das Untier schattenhaft zu sehen, doch stets zu flüchtig zum wohlgezielten Schuß. Auch narrten mich Trugbilder in den Wirbeln, sodaß ich endlich lauschend im Ungewissen stehen blieb. Da hörte ich ein Knistern, und mich packte der Gedanke, daß die Bestie einen Haken geschlagen haben könnte, um mich von hinten anzugehn. Um mich zu sichern, kniete ich mit vorgehaltener Flinte nieder und wählte zur Rücken-Deckung einen Dornenbusch.
     Wie sich in solchen Lagen unser Auge oft an geringe Dinge heftet, so sah ich an der Stelle, an der ich kniete, im toten Laub ein Kräutlein blühen und erkannte in ihm das rote Waldvögelein. Ich mußte mich also an dem Ort befinden, zu dem ich mit Bruder Otho vorgestoßen war, und damit dicht vor der Hügelspitze bei Köppels-Bleek. Und wirklich gelang es mir, mit wenig Schritten die kleine Kuppe zu erreichen, die sich wie eine Insel aus dem Rauch erhob.
     Von ihrem Rücken sah ich die Rodung bei Köp- pels-Bleek im matten Scheine leuchten, doch wurde zugleich mein Blick fern in die Wäldertiefe auf einen Feuerpunkt gelenkt. Dort sah ich winzig, und wie aus rotem Filigran gebildet, ein Schloß mit Zinnen und runden Türmen in Flammen stehen; und ich entsann mich, daß auf Fortunios Karte diese Stelle als „südliche Residenz” bezeichnet war. Die Feuers- brunst verriet mir, daß der Angriff des Fürsten und Braquemarts bis an die Stufen des Palastes gelangt sein mußte; und wie immer, wenn wir die Wirkung kühner Taten sehen, hob ein Gefühl der Freude mir die Brust. Zugleich indessen fiel mir das triumphie- rende Gelächter des Oberförsters ein, und eilig spähte mein Blick auf Köppels-Bleek. Dort sah ich Dinge, die mich erblassen ließen in ihrer Schänd- lichkeit.
     Die Feuer, die Köppels-Bleek erhellten, waren noch glühend, doch wie mit Silber-Kuppen von einer weißen Aschenschicht bedeckt. Ihr Schimmer fiel auf die Schinder-Hütte, die weit geöffnet stand, und färbte den Schädel, der am Giebel grinste, mit rotem Licht. Aus Spuren, die sowohl den Boden um die Feuerstätten als auch das Innere der üblen Höhle zeichneten, und die ich nicht schildern will, war zu erraten, daß die Lemuren hier eines ihrer schauerlichen Feste abgehalten hatten, dessen Nach- glanz noch auf dem Orte lag. Wir Menschen blicken mit angehaltnem Atem und wie durch Spalten auf solchen Spuk.
     Nur so viel sei verraten, daß mein Auge unter all den alten und längst entfleischten Köpfen auch zwei neue, an Stangen hoch aufgesteckte entdecken mußte — die Köpfe des Fürsten und Braquemarts. Sie blickten von ihren Eisenspitzen, an denen sich Haken krümmten, auf die Feuersgluten, die weiß verblätterten. Dem jungen Fürsten war nun das Haar gebleicht, doch fand ich seine Züge noch edler und von jener höchsten, sublimen Schönheit, die nur das Leid erzeugt.
     Ich fühlte bei diesem Anblick die Tränen mir in die Augen schießen — doch jene Tränen, in wel- chen mit der Trauer uns herrlich die Begeisterung ergreift. Auf dieser bleichen Maske, von der die ab- geschundene Haut in Fetzen herunterhing, und die aus der Erhöhung am Marterpfahle auf die Feuer herniederblickte, spielte der Schatten eines Lächelns von höchster Süße und Heiterkeit, und ich erriet, wie von dem hohen Menschen an diesem Tage Schritt für Schritt die Schwäche abgefallen war — so wie die Lumpen von einem König, der als Bettler verkleidet ging. Da faßte mich ein Schauer im Innersten, denn ich begriff, daß dieser seiner frühen Ahnen und Bezwinger von Ungeheuern würdig war; er hatte den Drachen Furcht in seiner Brust er- legt. Da wurde mir, woran ich oft gezweifelt hatte, gewiß: es gab noch Edle unter uns, in deren Herzen die Kenntnis der großen Ordnung lebte und sich bestätigte. Und wie das hohe Beispiel uns zur Ge- folgschaft führt, so schwur ich vor diesem Haupt mir zu, in aller Zukunft lieber mit den Freien ein- sam zu fallen, als mit den Knechten im Triumph zu gehn.
     Die Züge von Braquemart dagegen sahen ganz un- verändert aus. Er blickte spöttisch und mit leisem Ekel von seiner Stange auf Köppels-Bleek und mit erzwun- gener Ruhe wie jemand, der einen starken Krampf empfindet,

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