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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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schreiten gleichsam als Begleiter neben unserem Ebenbilde her. Doch hatte ich die Lösung dieser feinen Fäden noch nie so stark empfunden wie hier im Wald. Indem ich träumend die weiße Spur verfolgte, erblickte ich die Welt im dunklen Schimmer des Ebenholzes, in dem sich elfen- beinerne Figürchen spiegelten. Auf diese Weise durch- querte ich auch das Moor am Filler-Horne und trat unweit der hohen Pappeln in die Campagna ein.
     Hier sah ich mit Schrecken, daß der Himmel von Feuersbrünsten unheilvoll erleuchtet war. Auch herrschte ein böses Treiben auf den Weidegründen, und Schatten eilten an mir vorbei. Es mochten Knechte, die dem Gemetzel entronnen waren, dar- unter sein; indessen vermied ich, sie anzurufen, denn viele schienen in trunkener Wut. Auch sah ich solche, die Feuerbrände schwangen, und hörte die Sprache der von La Picousière. Von diesen strebten Scharen, die mit Beute beladen waren, schon wieder den Wäl- dern zu. Das Vorgehölz des roten Stieres war hell erleuchtet; dort mischten sich Weiberschreie in das Gelächter eines Triumph-Gelages ein.
     Voll böser Ahnung eilte ich dem Weidehofe zu, und schon von weitem mußte ich erkennen, daß inzwischen auch Sombor mit den Seinen dem Wald- gelichter erlegen war. Die reiche Siedlung stand in hellen Flammen, die schon von Haus und Stall und Scheuer den Dachstuhl abgehoben hatten, und Feuerwürmer tanzten heulend um die Glut. Die Plünderung war schon in vollem Gange; sie hatten bereits die Betten aufgeschnitten und füllten sie wie Säcke mit Beute an. Auch sah ich Gruppen, die vom Gut der Vorrats-Häuser praßten, sie hatten von gefüllten Fässern die Deckel eingeschlagen und schöpften mit den Hüten ihren Trunk.
     Die Mörder waren im Taumel der Völlerei, und dieser Umstand war mir günstig, denn ich wandelte, fast wie im Schlafe, durch ihren Kreis. Vom Feuer, vom Mord und von der Trunkenheit geblendet, be- wegten sie sich wie Tiere, die man am Grund von trüben Tümpeln sieht. Sie streiften dicht an mir vorüber, und einer, der einen Filz voll Branntwein schleppte, hob ihn mit beiden Armen gegen mich empor, und trollte sich fluchend, als ich ihm den Willkomm weigerte. So schritt ich unangefochten durch sie hindurch, als ob mir die vis calcandi supra scorpiones zu eigen sei.
     Als ich die Trümmer des Weidehofes verlassen hatte, fiel mir ein Umstand auf, der meinen Schrecken noch steigerte. Es schien mir nämlich, als ob im Rük- ken die Glut der Feuersbrunst verblaßte — doch weniger infolge der Entfernung, als vor einer neuen und grimmigeren Röte, die sich vor mir am Firmament erhob. Auch dieser Teil der Weidegründe war nicht ganz unbelebt. So sah ich versprengtes Vieh und Hirten auf der Flucht, und vor allem vernahm ich in der Ferne das Geläute der roten Meute, das sich zu nähern schien. Daher beeilte ich meine Schritte, obwohl mein Herz zugleich ein Bangen vor dem fürchterlichen Flammenringe spürte, dem ich ent- gegenging. Schon sah ich dunkel die Marmor- Klippen ragen, wie schwarze Riffe am Lava-Meer. Und während ich die Hunde im Rücken hörte, er- klomm ich hastig die schroffe Zinne, von deren Rande unser Auge so oft in hohem Rausche die Schönheit dieser Erde in sich eingetrunken hatte, die ich nun im Purpur-Mantel der Vernichtung sah. Nun war die Tiefe des Verderbens in hohen Flammen offenbar geworden, und weithin leuchte- ten die alten und schönen Städte am Rande der Marina im Untergange auf. Sie funkelten im Feuer gleich einer Kette von Rubinen, und kräuselnd wuchs aus den dunklen Tiefen der Gewässer ihr Spiegelbild empor. Es brannten auch die Dörfer und die Weiler im weiten Lande, und aus den stol- zen Schlössern und den Klöstern im Tale schlug hoch die Feuersbrunst empor. Die Flammen ragten wie goldene Palmen rauchlos in die unbewegte Luft, indes aus ihren Kronen ein Feuer-Regen fiel. Hoch über diesem Funken-Wirbel schwebten rot an- gestrahlte Taubenschwärme und Reiher, die aus dem Schilfe aufgestiegen waren, in der Nacht. Sie kreisten, bis ihr Gefieder sich in Flammen hüllte, dann sanken sie wie brennende Lampione in die Feuersbrunst hinab.
     Als ob der Raum ganz luftleer wäre, drang nicht ein Laut herauf; das Schauspiel dehnte sich in fürchterlicher Stille aus. Ich hörte dort unten nicht die Kinder weinen und die Mütter klagen, auch nicht das Kampfgeschrei der Sippenbünde und das Brüllen des Viehes, das in den Ställen stand. Von allen Schrecken der Vernichtung stieg zu den Mar- mor-Klippen einzig der

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