Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend
Volk am Südhang wohnt.
Indem wir so die Rauten-Klause betrachteten, er- hellten sich ihre Fenster, und aus dem Giebel fuhr eine Flamme bis zur Höhe des Marmorklippen- Randes auf. Sie glich an Farbe dem Flämmchen auf der Leuchte Nigromontans — tief dunkelblau —, und ihre Krone war gleich dem Kelche der Enzian-Blüte ausgezackt. So sahen wir die Ernte vieler Arbeits-Jahre den Elementen zum Raube fallen, und mit dem Hause sank unser Werk in Staub. Doch dürfen wir auf dieser Erde nicht auf Vollendung rechnen, und glücklich ist der zu preisen, dessen Wille nicht allzu schmerzhaft in seinem Streben lebt. Es wird kein Haus gebaut, kein Plan geschaffen, in welchem nicht der Unter- gang als Grundstein steht, und nicht in unseren Werken ruht, was unvergänglich in uns lebt. Dies leuchtete uns in der Flamme ein, doch lag in ihrem Glänze auch Heiterkeit. So eilten wir mit frischen Kräften den Pfad entlang. Noch war es dunkel, doch aus den Rebenhügeln und Uferwiesen stieg schon die Kühlung des Morgens auf. Auch schien es dem Gemüt, als ob die Feuer am Firmament ein wenig von ihrer unheilvollen Kraft verlören; es mischte sich Morgenröte ein.
Am Bergeshange sahen wir auch das Kloster der Maria Lunaris in Gluten eingehüllt. Die Flammen schlugen am Turm empor, sodaß das goldene Füll- horn glühte, das auf dem Knauf als Wetterfahne schwang. Das hohe Kirchenfenster an der Seite des Bild-Altares war schon zersprungen, und wir sahen im leeren Rahmen den Pater Lampros stehn. In seinem Rücken glomm es wie aus dem Feuer-Ofen, und wir eilten, um ihn zu rufen, bis an den Kloster- graben vor. Er stand im Prunk-Ornate, und auf sei- nem Antlitz sahen wir ein unbekanntes Lächeln leuchten, als ob die Starre, die uns sonst an ihm er- schreckte, im Feuer dahingeschmolzen sei. Er schien zu lauschen, und doch hörte er unsere Rufe nicht. Da hob ich das Haupt des Fürsten aus der Duft- Amphore und streckte es mit der Rechten hoch em- por. Bei seinem Anblick faßte uns ein Schauer, denn die Feuchte des Weines hatte die Rosenblätter an- gezogen, sodaß es nun im dunklen Purpur-Prunke aufzuleuchten schien.
Doch war es noch ein anderes Bild, das uns, als ich das Haupt erhob, ergriff — wir sahen im grünen Glänze die Rosette strahlen, die in noch unversehr- ter Rundung den Fensterbogen schloß, und ihre Bildung war uns wundersam vertraut. Uns schien, als hätte uns ihr Vorbild in jenem Wegerich ge- leuchtet, den Pater Lampros uns einst im Kloster- garten wies — nun offenbarte sich die verborgene Beziehung dieser Schau.
Der Pater wandte, als ich ihm das Haupt ent- gegenstreckte, den Blick zu uns, und langsam, halb grüßend und halb deutend, wie bei der Consecratio, hob er die Hand, an welcher der große Karneol im Feuer glomm. Als hätte er mit dieser Geste ein Zei- chen von schrecklicher Gewalt gegeben, sahen wir die Rosette in goldenen Funken auseinander- sprühen, und mit dem Bogen stürzten wie ein Ge- birge Turm und Füllhorn auf ihn herab.
29.
Das Hahnentor war eingefallen; wir bahnten uns über seine Trümmer einen Weg. Die Straßen waren von Mauer-Resten und Balkenwerk bedeckt; und rings im Brandschutt lagen Erschlagene ver- streut. Wir sahen finstere Bilder im kalten Rauch, und dennoch lebte eine neue Zuversicht in uns. So bringt der Morgen Rat; und schon die Wiederkehr des Lichtes nach dieser langen Nacht erschien uns wunderbar.
In diesem Trümmerfelde erschienen die alten Händel so sinnlos wie Erinnerungen an einen schlechten Rausch. Nichts als das Unglück war zu- rückgeblieben, und die Kämpfer hatten Fahnen und Zeichen abgelegt. Noch sahen wir plünderndes Ge- lichter in den Seitengassen, doch zogen nun die Söldner in Doppel-Posten auf. Am Zwinger trafen wir Biedenhorn, der sie verteilte und sich ein großes Ansehn gab. Er stand in goldenem Küraß auf dem Platze, doch ohne Helm, und rühmte sich, schon Tannen-Bäume aufgeputzt zu haben — das heißt, er hatte die Erstbesten ergreifen lassen und in die Ulmen am Walle aufgehängt. Nach martialischer Gewohnheit hatte er sich während der Tumulte gut verschanzt gehalten — nun, da die ganze Stadt in Scherben lag, trat er hervor und spielte den Wun- dermann. Im übrigen war er gut informiert, denn auf dem runden Turm des Zwingers wehte schon die Standarte des Oberförsters, der rote Eberkopf.
Es schien, daß Biedenhorn schon scharf getrunken hatte; wir trafen ihn in der grimmig guten Laune, die ihn zum Liebling seiner Söldner machte, an. Ganz
Weitere Kostenlose Bücher