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Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend

Titel: Auf den Marmor-Klippen: 62 Tausend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Jünger
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goldene Schimmer auf. So flammen ferne Welten zur Lust der Augen in der Schönheit des Unterganges auf.
     Auch hörte ich nicht den Schrei, der meinem Mund entstieg. Nur tief in meinem Inneren, als ob ich selbst in Flammen stünde, hörte ich das Knistern der Feuerwelt. Und nur dies feine Knistern konnte ich vernehmen, während die Paläste in Trümmer fielen und aus den Hafen-Speichern die Getreide- säcke hoch in die Lüfte stiegen, um glühend zu zer- sprühn. Auch flog, die Erde spaltend, der große Pulverturm am Hahnentore auf. Die schwere Glocke, die seit tausend Jahren den Belfried zierte, und deren Klänge Unzählige im Leben und im Sterben geleitet hatten, begann erst dunkel und dann immer heller aufzuglühen und stürzte endlich, den Turm zer- malmend, aus ihrem Lager ab. Auch sah ich die Giebelfirste der Säulentempel in roten Strahlen leuchten, und von den hohen Sockeln neigten sich mit Schild und Speer die Götterbilder nieder und sanken lautlos in die Glut.
     Vor diesem Feuermeere faßte mich zum zweiten Male, und stärker noch, die Traumes-Starre an. Und wie wir in solchem Stande vieles zugleich durch- schauen, so hörte ich auch, wie die Meute und hinter ihr das Waldgelichter sich unablässig näherten. Schon hatten die Hunde fast den Klippenrand er- reicht, und ich vernahm in Pausen den tiefen An- schlag von Chiffon Rouge, den seine Meute heulend begleitete. Doch war ich in dieser Lage nicht fähig, nur den Fuß zu heben, und ich fühlte, wie mir der Schrei im Munde blieb. Erst als ich die Tiere bereits erblickte, gelang es mir, mich zu bewegen, doch blieb der Bann bestehn. So schien es mir, als ob ich sanft die Marmorklippen-Treppe hinunterschwebte; auch hob ich mich in leichtem Schwünge über die Hecke, die den Garten der Rauten-Klause friedete. Und hinter mir im dichtgedrängten Rudel hetzte polternd die wilde Jagd den schmalen Felsenpfad hinab.

                           27.
    Im Sprunge war ich in dem weichen Boden der Lilien-Beete halb zu Fall gekommen, und mit Staunen sah ich, daß der Garten wundersam erleuch- tet war. Die Blumen und die Büsche strahlten im blauen Glanze, als wären sie auf Porzellan gemalt und dann durch Zauberspruch belebt.
     Oben im Küchen-Vorhof standen Lampusa und Erio, in den Anblick der Feuersbrunst vertieft. Auch Bruder Otho sah ich im festlichen Gewande auf dem Altan der Rauten-Klause; er lauschte in der Richtung der Felsentreppe, auf der nun wie ein Gießbach das Waldgelichter mit den Hunden herun- terbrach. Schon huschte es an der Hecke wie ein Rattenschwarm, und Fäuste rüttelten am Garten- tor. Da sah ich Bruder Otho lächeln, indem er prüfend die bergkristallene Lampe, auf der ein blaues Flämmchen tanzte, vor die Augen hob. Er schien kaum wahrzunehmen, wie indessen unter den Streichen der Hundehetzer die Pforte barst und wie das dunkle Rudel frohlockend in die Lilien- Beete brach, an seiner Spitze Chiffon Rouge, um dessen Hals die Klingen funkelten.
     In dieser Not erhob ich meine Stimme, um Bruder Otho anzurufen, den ich noch immer wie lauschend auf dem Altane stehen sah. Doch schien er mich nicht zu hören, denn er wandte sich unbewegten Blickes und trat mit vorgestreckter Leuchte in das Herbarium ein. So hielt er sich als hoher Bruder — da er im Angesichte der Vernichtung dem Werke, dem wir unser Leben gewidmet hatten, die Weihe geben sollte, fehlte ihm das Auge für meine körperliche Not.
     So rief ich denn Lampusa an, die mit vom Feuer- schein erhellter Miene vor dem Eingang der Felsen- küche stand, und sah sie flüchtig, mit gekreuzten Armen, indes ein grimmes Lächeln ihren Zahn ent- blößte, in das Gewimmel schaun. Da wußte ich, daß von dieser kein Mitleid zu erwarten stand. So- lange ich ihren Töchtern Kinder zeugte und mit dem Schwertarm die Feinde schlug, war ich will- kommen; doch war ihr jeder Sieger als Eidam gut, so wie sie jeden in der Schwäche verachtete.
     Da, als schon Chiffon Rouge im Ansprung stand, war es mein Erio, der mir zu Hilfe kam. Der Knabe hatte das Silber-Kesselchen ergriffen, das von der Schlangenspende noch im Vorhof stand. Er schlug es, nicht wie sonst mit seinem Birnholz-Löffel, son- dern mit einer erzenen Gabel an. So rief er aus dem Becken einen Ton hervor, der einem Lachen glich und Mensch und Tier erstarren ließ. Ich spürte, wie unter dem Fuß der Marmor-Klippen die Klüfte bebten, dann erfüllte ein feines Pfeifen hundertfach die Luft. Im blauen Glänze des Gartens brach ein

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