Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]
ihn allein überraschen kann. Er wird seine Chance bekommen, Mann gegen Mann.«
Der Wagen vor ihnen bremste jäh.
»Dieser blöde Idiot«, schimpfte er, »nun bleibt er auch noch mit seiner Kiste stehen. Mitten auf dem Weg!«
Der Fahrer war ausgestiegen, um in aller Gemütsruhe auf der Ladefläche die Lage der übereinander gestapelten Kisten zu prüfen. Bachmann verkrampfte die Hände um das Lenkrad, ehe er sich anschickte, die Tür zu öffnen.
»Dem werde ich Beine machen«, fauchte er ungehalten, aber Sarah klammerte sich plötzlich an ihn.
»Bleib sitzen, bitte! Willst du hier auffallen, damit dich dann jeder sofort kennt?«
Sie hat Recht, überlegte er schweigend, ich bin zu unbeherrscht, was sind ein paar Minuten, wo unendlich viele schon hinter uns liegen. Und so legte er die Hände wieder auf das Lenkrad, ließ die Finger trommeln, bis der Mann, der einen dunkelblauen Pullover trug, endlich seine Arbeit auf der Ladefläche beendet hatte, von ihr herabstieg und ihnen flüchtig und mit einem Lächeln zuwinkte.
Er erwiderte den Gruß nicht, ließ die Finger weiter trommeln, wippte mit den Füßen auf dem Gaspedal, ungeduldig und nervös, denn nur dieses unselige Gefährt trennte ihn noch vom Auto Emmerleins, dem er unfassbar nahe war. Da fuhr der Lastwagen wieder an, so dass er ihm folgen konnte, um endlich dieses rote Auto und sein Kennzeichen in Augenschein nehmen zu können.
Seine Hände am Lenkrad begannen zu zittern, sein Herz schlug wild, und eiskalt war ihm, obwohl ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Er fuhr an einem giftgrünen Schuppen vorbei, dessen Rand des schwarzen Daches weiß gestrichen war – ein Weiß, das in die Augen zu stechen schien.
»Da hast du ihn!«, sagte die innere Stimme frohlockend. »Im nächsten Augenblick!«
Doch er erschrak beinahe, als er das rote Auto unversehens vor sich sah. Dann aber lag ein grenzenloses Erstaunen auf seinem Gesicht, ehe er sich unendlich enttäuscht den Nacken zu reiben begann.
»Es ist kein Toyota, es ist ein Mazda«, stöhnte er auf. »Verflucht.«
Als er Sarah einen raschen Blick zuwarf, schien es ihm, als ob sie erleichtert wäre, doch konnte er sich auch irren.
Der Wind, der vom Meer kam, bewegte die Halme auf den Wiesen neben der Straße, so dass sie sich ihm zuzuwenden schienen, wie stille Zuschauer eines Dramas, dessen letzter Akt noch nicht begonnen hatte …
Der Wind ließ langsam nach. Und wieder lag, dicht am Nordmeer, sein nächstes Ziel: Ein kleines Dorf, hufeisenförmig angelegt und umgeben von hohen Grasbergen, ein Dorf, dem ein eigener Hafen fehlte und dessen Küste teils sandig war und teils steinig und so flach, dass auch jetzt, bei ruhigem Wetter, die Wellen unablässig an den Strand rollten.
»Hier wird ihn keiner gesehen haben«, vermutete er, parkte aber dennoch den Wagen dort, wo die pastellfarbenen Häuser des Dorfes begannen.
Einen Augenblick lang blieb er noch sitzen, und seine Finger hielten noch immer das Lenkrad umfasst. Erst, als ihn Sarah verwundert anschaute, öffnete er die Fahrertür und stieg aus.
»Komm mit!«, sagte er bittend zu ihr.
Er winkte einem alten Mann mit einem zerfurchten Gesicht und Adlerprofil zu, der vor einem der nahen Häuser stand und bedächtig auf dem Mundstück seiner kalten Pfeife kaute. Langsam schlenderte Bachmann zu dem Alten hin und hob grüßend die Hand.
»Snakker du tysk?«, erkundigte er sich.
Der Alte schüttelte den Kopf, wobei er den Stiel seiner Pfeife weiter gleichmäßig mit den Zähnen bearbeitete.
Bachmann hatte sich die Worte auf Norwegisch für einen solchen Fall eingeprägt und so fragte er unverzüglich in der Sprache dieses Landes nach einem roten Toyota.
Der Alte blickte ihn aufmerksam an, aber wieder schüttelte er den Kopf, wobei er ein bedauerndes Lächeln andeutete, das die Furchen in seinem Gesicht noch zu vertiefen schien.
»Wir fahren weiter«, sagte er zu Sarah, die nun dicht hinter ihm stand und er dachte dabei: Schrittweise wird sich das Gebiet, das wir durchsuchen müssen, verkleinern. Jedes abgesuchte Dorf werde ich auf der Landkarte mit dem roten Filzstift dick markieren und so den Verlauf unserer Suche immer vor Augen haben. Rot ist die Farbe des Autos, rot wird die Farbe des Erfolges werden bis zum Ende unserer Jagd. Das letzte Rot aber wird Emmerleins Blut sein.
Sein Blick folgte angespannt dem weiteren Verlauf der Straße, die in ein breites Tal und zu einem Dorf am Meer führte, welches sich schwarzblau und endlos und voller
Weitere Kostenlose Bücher