Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]
beieinander, dass ihre Hände sich noch berühren konnten.
Der Fluss würde sie aufnehmen mit seinem dunklen Wasser, das im fahlen Licht des Mondes träge dahinfloss wie eine nie endende Drohung, er würde sie schützen vor jedem Blick, bis sie den Ort ihrer Bestimmung erreichten, die ferne Brücke mit ihren gewaltigen Pfeilern, deren Sprengung sie üben sollten.
Und gerade dann, als Wolken den Mond verdeckten, schloss der Fluss sich über den Körpern der Männer, die nur ihre Messer mit sich führten und den Sprengstoff und wie geisterhafte Wesen der Nacht eins wurden mit der Stille seines Wassers. Einmal streifte seine Hand flüchtig das Messer im Schaft an seinem Bein.
Da erwachte er mit dem beklemmenden Gefühl, als wäre er eine Ewigkeit lang in der Strömung des Flusses und tief unter seiner Oberfläche dahingetrieben, nur durch die Signalleine und die Hände verkettet mit den Kameraden, und er war froh, dieser höllischen Finsternis entronnen zu sein. Aus der Tiefe der Erinnerungen war dieser Traum gekommen. Er war wie eine dunkle Botschaft.
Unruhig drehte er sich auf der Bettstatt.
»Was ist los?«, wollte Sarah wissen.
»Es ist nichts«, beruhigte er sie, und war auch jetzt überrascht über ihren leichten Schlaf, in den jedes kleinste Geräusch zu dringen schien und sie wecken konnte.
Sarah …
Manuelas Tod, dachte er bitter, hat uns beide auf eine so seltsame Art und Weise getrennt, wir leben nahezu aneinander vorbei, jeder in eigenen Freiräumen, die sie für die schwarze Szene nutzt, als ein Entkommen aus der Realität und Zuflucht. Mehr und mehr aber hat sie sich auch in sich selbst zurückgezogen und irgendwann begonnen, eine Unerreichbarkeit auszustrahlen, eine dunkle Schwermut, die ich kaum durchdringen kann und die offenbar nie mehr weichen will. So lebt sie in der Traumwelt ihrer mystischen Musik, ihrer Gothic Metal Music oder in Dantes Höllengesängen, die sie immer wieder lesen kann und die sich schließlich auch mir erschlossen haben, so dass ich sogar einige kleine Passagen auswendig kann.
Sarah …
Manchmal stand sie, in Gedanken verloren, minutenlang reglos oder schaute, so schien es ihm, durch ihn hindurch, als wäre er ein Wesen aus Glas, geweblos und durchsichtig. Sie schliefen auch nicht mehr miteinander, nur leichte Berührungen gab es noch, doch war es nur ein Hauch der früheren Zärtlichkeit. Aber die tote Tochter schweißte sie dennoch zusammen, als ob sie, auch nach ihrem Tod, keine Trennung duldete.
Sarah …
Nur, wenn sie von einem möglichen Ende der Trauer sprach, die für sie beide, wie sie meinte, zu einem zerstörenden Albtraum geworden sei, mochte er sie nicht. Mit diesem Wunsch würde sie nie Gehör finden bei ihm, denn seine Trauer war ein Teil des Wartens auf Emmerleins Entlassung, sie hielt in ihm die Bereitschaft zur Vergeltung wach, brannte wie ein Feuer, an jedem Tag, und zur Trauer gehörten auch all die Fotos ihrer Tochter in der Wohnung und die frischen Blumen auf ihrem Grab. Seine Trauer ließ ihn sogar die Arbeitslosigkeit ertragen, die auch ihr Gutes hatte, denn den finanziellen Verlust, den sie für beide mit sich brachte, glich er wieder aus durch seine Schwarzarbeit. So fehlte es ihnen an nichts, wenn er die wirtschaftliche Lage ihres Lebens bedachte, die wirklich gut war und manchmal sogar hervorragend, da auch Sarah, die ehemalige Modegestalterin, dazu beitrug mit dem Entwurf von extravagantem Modedesign für die schwarze Szene und der Gestaltung von bizarrem Outfit.
Das Dunkel und die Stille umgaben ihn, und seine Gedanken galten nun seiner Tochter, diesem so schönen Wesen mit dem weichen Haar, braun und lang und den dunklen Augen, die sie von ihm geerbt hatte. Doch ihre Schönheit war ihr zum Verhängnis geworden. Bewundert hatte er sie, da sie schön war und klug zugleich, eine wohl seltenere Kombination im Leben, und wie eine kleine Göttin hatte er sie verehrt und geliebt, in all den Jahren, die ihm mit ihr vergönnt gewesen waren.
»Affenliebe«, waren manchmal Sarahs spottende Worte gewesen.
Und dann sah er sie, sah Erinnerungssplitter, die rasch kamen und rasch schwanden, sah Manu, als sie tapsend ihre ersten Schritte machte, noch unbeholfen, aber jauchzend, die ausgebreiteten Arme nach ihm ausgestreckt, sah sie mit ihrem blauen Teddy, an den sie sich so innig schmiegte beim Schlafen, sah sie, wie sie zu ihm aufschaute und sie seine Uhr erkannte am Handgelenk, als er den Weihnachtsmann spielte und das Gesicht hinter einer gekauften
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