Auf den Schwingen der Hölle - [ein Norwegen-Krimi]
richte ich Emmerlein. Nur darf Sarah keine Gelegenheit bekommen, die Tat zu verhindern, sie wird die Wahrheit erfahren, wenn ich zurück bin, erst dann.
Er fluchte über ein Schlagloch, in das ein Kürbis passen würde und das eine echte Gefahr für sein Auto darstellte, wenn er an einen Achsenbruch dachte, doch verdrängte er diesen Gedanken, und so fuhr er so schnell er es eben vermochte.
Weiter jagte er mit seinem Auto, über die gewaltige Sortland-Brücke hinweg und schon der nächsten entgegen, der Brücke Kvalsaukbru, dann am schmalen Risøysund entlang und seinem graublauen Wasser, um sie endlich zu erreichen, die endlos lange Brücke auf die Insel Andøya. Sein Auto flog förmlich dahin, seine Hände pressten das Lenkrad mit einer solchen Kraft, dass seine Knöchel weiß wurden, sein Körper war angespannt bis zum letzten Muskel, und er spürte keinen Hunger, keinen Durst.
Näher und näher kam er seinem Ziel.
Und er lag gut in der Zeit, sehr gut sogar und selbst, wenn er etwas aß, tat er es während der Fahrt.
Der Gedanke, dass morgen, in aller Frühe, die Stunde seiner Rache schlug, machte ihn konzentriert wie nie zuvor, und zum ersten Mal galten seine raschen Blicke auch der Landschaft, die an ihm vorflog, denn entlang der Küste fuhr er nun, auf dieser nördlichsten Insel der Vesterälen, an Mooren vorbei und grasbewachsenen Bergen, an Feldern voller Moltebeeren, die schneeweiß blühten, einmal an einer Holzkirche, die achteckig und weiß und sehr einsam auf einer Landzunge stand, und immer lag das glitzernde Wasser des Andfjorden im Licht der Sonne, wenn er nach rechts schaute.
Auf der anderen Seite der Insel lag das Nordmeer, das wusste er, weit und endlos.
Dann endlich erblickte er in der Ferne, wie einen schmalen riesigen Finger, der sich steil nach oben reckte, den blassroten Leuchtturm von Andenes.
Rasch aber blieb Andenes hinter ihm zurück, denn er wollte ja weiter, in Richtung Bleik. Neben der Straße, auf seiner linken Seite, erhoben sich nun grün bewachsene spitzgezackte Berge und noch von breiten Wiesen und Hügeln getrennt, lag zu seiner rechten das Nordmeer, in dem sich in der Ferne eine kleine Felseninsel aus dem Wasser erhob wie ein Vulkan, die gewiss ein Treffpunkt für Vögel war und voller Leben. Noch lange vor Bleik erblickte er einen Sandstrand, vor dem Grasdünen lagen wie ein wild wogendes grünes Meer mit Wiesen voller gelber Blumen.
Er parkte den Wagen am Rande der Straße und lief in die Wiesen hinein und den Hügeln entgegen, die Schutz bieten würden, wenn er zwischen ihnen ein Grab aushob. Er fand einen guten Ort, eingerahmt von zwei Erhebungen, einen Ort, den kaum ein Mensch je betreten würde, da war er sich völlig sicher, denn er lag inmitten des Hügelmeeres. Ein wieder mit Erde geschlossenes Grab würde rasch überwuchert sein, von Gräsern und gelben Blumen.
Völlig allein war er in der Landschaft. So ging er zurück zu seinem Auto, um den Spaten zu holen. Nirgendwo sah er ein Fahrzeug oder einen Menschen, nur Möwen hörte er hoch über sich.
Und so stand er wieder an dem von ihm gewählten Ort. Da er nun unbeobachtet war in dieser Einsamkeit, begann er zu graben, tiefer und tiefer, bis er in einer länglichen Grube stand, deren Rand ihm bis an die Brust reichte. Nun also war das Grab bereit für Emmerlein. Zufrieden, aber auch erschöpft, lag er im Gras und ein Glücksgefühl erfüllte ihn, das ihn zu überwältigen schien.
Aber da war wieder die Stimme in ihm: ›Wenn Sarah ihn inzwischen gewarnt hat und er geflohen ist, zurück nach Deutschland, wo es viel schwerer sein wird, ihn unbemerkt zu töten, da sofort der Verdacht auf dich fallen wird? Oder wenn er auf deinen Angriff wartet am Fels neben dem Klippenpfad, sich blitzschnell umwendet und dich angreift? Er handelt dann in Notwehr, jeder Schlag ist erlaubt, auch der tödliche. Er könnte dich töten, ungestraft. Und er wird dich töten.‹
Das Glücksgefühl wich, so rasch wie es gekommen war. Sarah durfte Emmerlein einfach nicht warnen, das konnte sie ihm nicht antun, nun, da sich alles vollenden würde, zu dem von ihm so herbeigesehnten Ende!
Nur noch ein einziger Stich war nötig, mit seinem so spitzen und so scharfen und sorgsam von ihm nachgeschliffenen Messer. Doch wie sicher konnte er sein, dass Sarah wirklich zu ihm hielt?
War es ein Fehler gewesen, hierher zu fahren, ohne zu wissen, was inzwischen in jenem Dorf geschah? Da kam ihm ein Gedanke, und er schritt zum Strand und entdeckte
Weitere Kostenlose Bücher