Auf den Schwingen des Adlers
daß der Minister überhaupt bestochen worden war. Iranische Bürokraten waren zwar berüchtigt für ihre Korruption, doch Dr. Scheik, wie Paul den Namen abkürzte, schien ausanderem Holz geschnitzt zu sein. Von Beruf Neurochirurg, besaß er eine rasche Auffassungsgabe und die bewundernswerte Fähigkeit, sich auch kleinster Details anzunehmen. Im Gesundheitsministerium hatte er sich mit einer Gruppe progressiver junger Technokraten umgeben, die sich darauf verstanden, den müden Amtsschimmel anzutreiben und zur Arbeit zu bewegen. Das EDS-Projekt war nur ein Teil seines ehrgeizigen Plans, die iranischen Gesundheits- und Sozialdienste auf amerikanisches Niveau zu heben. Paul konnte sich nicht vorstellen, daß Dr. Scheik nebenbei auch sein eigenes Schäfchen ins trokkene gebracht haben sollte.
Paul hatte also nichts zu befürchten – vorausgesetzt, Goelz’ »informierte Kreise« sagten die Wahrheit. Dr. Scheik war schon vor drei Monaten verhaftet worden.
War es nur Zufall, daß den Iranern erst jetzt, da Paul ihnen mitgeteilt hatte, EDS werde das Land verlassen, wenn das Ministerium die Rechnungen nicht begliche, aufging, welch unentbehrliche Zeugen er und Bill waren?
Nach Abschluß der Evakuierung zogen die restlichen EDS-Männer in zwei Häuser um, in denen sie den zehnten und elften Dezember, die Aschura-Feiertage, verbrachten und Poker spielten. In einem der Häuser ging es um hohe, im anderen um niedrigere Einsätze; Paul und Coburn waren im ersteren. Zur Sicherheit luden sie Coburns »Schatten« ein – seine beiden Kontaktleute beim militärischen Geheimdienst –, die bewaffnet kamen. Das verstieß jedoch gegen die Regeln der Pokerrunde, daher mußten sie ihre Knarren im Flur deponieren.
Entgegen allen Befürchtungen verlief Aschura verhältnismäßig friedlich: Millionen von Iranern fanden sich im ganzen Lande zu Anti-Schah-Demonstrationen ein, aber es kam nur vereinzelt zu Ausschreitungen.
Nach Aschura erwogen Paul und Bill erneut, das Land zu verlassen, doch sie sollten eine böse Überraschung erleben. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, baten sie LouGoelz um Rückgabe ihrer Pässe. Goelz antwortete, davon müsse er General Biglari in Kenntnis setzen, und dies bedeutete soviel wie die Polizei direkt zu benachrichtigen, daß Paul und Bill sich aus dem Staub machen wollten.
Goelz behauptete steif und fest, er hätte EDS von seinem Handel mit der Polizei berichtet, als er die Pässe in Verwahrung genommen hätte. Er mußte wohl geflüstert haben, denn keiner von ihnen konnte sich daran erinnern.
Paul schäumte vor Wut. Wieso mußte sich Goelz überhaupt auf einen Handel mit der Polizei einlassen? Er war doch nicht verpflichtet, denen zu sagen, was er mit einem amerikanischen Paß anstellte! Er mußte der Polizei doch nicht auch noch dabei helfen, ihn und Bill im Iran festzuhalten, verdammt noch mal! Die Botschaft hatte schließlich Amerikanern zu helfen, oder etwa nicht?
Konnte Goelz denn nicht einfach diese dumme Vereinbarung nicht einhalten und die Pässe in aller Stille zurückgeben, vielleicht die Polizei erst ein paar Tage später informieren, wenn er und Bill zu Hause in Sicherheit waren? Auf gar keinen Fall, meinte Goelz. Wenn er sich ihretwegen mit der Polizei anlegte, so handelte er sich Schwierigkeiten für alle anderen zwölftausend Amerikaner ein, die sich noch im Iran aufhielten und um deren Sicherheit er sich zu kümmern hätte. Außerdem stünden Pauls und Bills Name bereits auf der »Sperrliste«, die bei der Flughafenpolizei auslag: Auch mit vollständigen Papieren würden sie niemals durch die Paßkontrolle kommen.
Nachdem Dallas die Nachricht erhalten hatte, daß Paul und Bill unwiderruflich im Iran festsaßen, lief EDS mitsamt ihren Anwälten auf Hochtouren. Unter einer republikanischen Regierung wären ihre Verbindungen in Washington besser gewesen; trotzdem hatten sie noch immer zuverlässige Freunde in der Hauptstadt. Sie sprachen mit Bob Strauss, einem überaus mächtigen»Ausputzer« im Weißen Haus, der zufällig Texaner war; mit Admiral Tom Moorer, dem ehemaligen Vorsitzenden des Gemeinsamen Stabs der Oberbefehlshaber, der viele Generäle, die jetzt in der iranischen Militärregierung saßen, persönlich kannte; und sie sprachen mit Richard Helms, vormals Chef des CIA und später US-Botschafter im Iran. Der Druck, den diese Freunde auf das Außenministerium ausübten, bewirkte immerhin, daß US-Botschafter William Sullivan in Teheran Pauls und Bills Fall bei einem
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