Auf den Schwingen des Adlers
anderen – Keane Taylor, Bill Gayden, Bob Young und Rich Gallagher – beobachteten vom Dach aus die brennende Stadt.
Das Bukarest war kein besonders hohes Gebäude, aber da es an einem Abhang der im Norden Teherans gelegenen Hügelkette stand, sah man vom Dach aus die Stadt wie auf einem ausgebreiteten Tischtuch vor sich liegen. Im Süden und Osten, wo sich erst kürzlich errichtete Wolkenkratzer über die niedrigen Villen und Elendsviertel erhoben, stiegen riesige Rauchwolken in den Dunst, und Kampfhubschrauber schwirrten dröhnend über den Brandherden wie Wespen um ein Honigglas. Einer der iranischen EDS-Chauffeure brachte ihnen ein Transistorradio aufs Dach und stellte einen Sender ein, der von den Revolutionären übernommen worden war. Anhand der von dem Fahrer übersetzten Nachrichten versuchten sie, die brennenden Gebäude zu identifizieren.
Keane Taylor, der heute nicht einen seiner eleganten dreiteiligen Anzüge, sondern Jeans und Cowboystiefel trug, ging hinunter, um einen Anruf entgegenzunehmen. Es war der Cycle Man.
»Sie müssen sofort weg«, sagte der Cycle Man zu Taylor. »Verlassen Sie das Land so schnell wie möglich.«
»Sie wissen, daß das nicht geht«, erwiderte Taylor. »Ohne Paul und Bill können wir hier nicht weg.«
»Dann wird es brandgefährlich für Sie.«
Taylor hörte, daß am anderen Ende der Leitung eine Schlacht tobte. »Wo, zum Teufel, sind Sie überhaupt?«
»Am Basar«, sagte der Cycle Man. »Ich mache hier Molotowcocktails. Heute morgen haben sie Hubschrauber geschickt, und jetzt haben wir rausgefunden, wie wir sie abschießen können. Wir haben schon vier Panzer in Brand gesteckt.«
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Unglaublich, dachte Taylor und legte den Hörer auf.Mitten in einer Schlacht fallen ihm seine amerikanischen Freunde ein, und er warnt sie per Telefon. Diese Iraner sind doch immer wieder für Überraschungen gut.
Er kehrte aufs Dach zurück.
»Schau dir das an«, sagte Bill Gayden zu ihm. Gayden war ebenfalls auf Freizeitkleidung umgestiegen: Sie taten nicht einmal mehr so, als würden sie arbeiten. Er deutete auf eine Rauchsäule im Osten. »Wenn das nicht das Gasr-Gefängnis ist, was da brennt, dann isses verdammt nah dran.«
Taylor kniff die Augen zusammen. »Schwer zu sagen.«
»Ruf bei Dadgar im Gesundheitsministerium an«, sagte Gayden zu ihm. »Howell müßte inzwischen schon dort sein. Sag ihm, Dadgar soll Paul und Bill sicherheitshalber in die Obhut der Botschaft überführen lassen. Wenn wir sie dort nicht rauskriegen, verbrennen sie noch.«
*
John Howell hatte eigentlich nicht damit gerechnet, daß Dadgar die Verabredung einhalten würde. Teheran war ein einziges Schlachtfeld, und die Untersuchung eines Korruptionsfalls aus der Schahzeit kam ihm jetzt höchst akademisch vor. Aber Dadgar saß tatsächlich in seinem Büro und erwartete ihn. Was, zum Teufel, motiviert den eigentlich? fragte Howell sich. Besessenheit? Haß auf die Amerikaner? Furcht vor der künftigen Revolutionsregierung?
Dadgar hatte Howell Fragen zur Zusammenarbeit zwischen EDS und Mahvi gestellt, und Howell hatte ihm ein vollständiges Dossier versprochen. Dadgar, der das Dokument für seine mysteriösen Zwecke dringend benötigte, hatte die Unterlagen ein paar Tage später bei Howell angemahnt und gesagt: »Ich kann die Leute auch hier verhören, um mir die Informationen zu besorgen, die ich brauche.« Für Howell klang das wie die Drohung, weitere EDS-Manager zu verhaften.
Howell hatte einen zwölfseitigen Bericht auf englisch zusammengestellt und einen Begleitbrief in Farsi dazugelegt, den Dadgar gerade las. Abolhasan übersetzte, was er dazu sagte: »Die Kooperationsbereitschaft Ihrer Firma bereitet den Boden für einen Wandel in meiner Einstellung zum Fall Chiapparone/Gaylord. Unsere Gesetzbücher sehen mildernde Umstände für diejenigen vor, die bereitwillig aussagen.«
Es war die reinste Farce. Sie konnten innerhalb der nächsten Stunden allesamt ums Leben kommen – und dieser Dadgar saß da und quatschte seelenruhig über eventuell anwendbare Bestimmungen des Gesetzes!
Abolhasan begann mit der mündlichen Übersetzung des Dossiers. Howell wußte sehr wohl, daß es nicht gerade einer der klügsten Schachzüge von EDS gewesen war, Mahvi als iranischen Partner zu wählen: Mahvi hatte der Firma zwar ihren ersten kleinen Auftrag im Iran verschafft, war dann jedoch vom Schah auf die schwarze Liste gesetzt worden und hatte bei dem Vertrag mit dem
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