Auf Den Schwingen Des Boesen
schüttelte den Kopf. »Meine Beschützer – und Will – sie alle gehorchen mir, aber sie können auch beschließen, mir nicht zu gehorchen.« Wills Zurückweisung in jener Nacht, als er mich vor Brian gerettet hatte, kam mir in den Sinn. Es war ihm schwergefallen, Nein zu sagen, doch er hatte sich entschieden zu gehen.
»Das liegt daran, dass dein Beschützer niemals ein Engel ist«, erwiderte Nathaniel. »Reaper haben einen freien Willen, weshalb sie in ihre Rolle als Reliquienbeschützer einwilligen müssen. Sie können nicht dazu gezwungen werden. Aber das ist das Schöne an der Sache. Im Himmel musst du ohne Widerspruch gehorchen, und es ist dir verboten, irgendwelche Gefühle zu empfinden, nicht einmal Liebe zu Gott. Aber du bist jetzt nicht mehr im Himmel.«
»Willst du damit sagen, dass ich die Erlaubnis hätte, jeden x-Beliebigen zu lieben?«, versuchte ich den Sinn seiner rätselhaften Worte zu ergründen. »Auch Will?«
Er lächelte. »Theoretisch ja. Aber nachdem Will seine Pflicht und alle Bedingungen akzeptiert hat, darf er nichts weiter tun, als dich zu beschützen. Während du dich mit irgendwelchen Formalitäten aus der Affäre ziehen kannst, muss er Michael gehorchen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Bruder darüber erfreut wäre, von der Beziehung zwischen seiner Schwester und einem erdgebundenen Reaper zu erfahren.«
»Würde Michael tatsächlich so weit gehen und Will mit dem Tod bestrafen?«
Nathaniels Lächeln schwand dahin. »Nach dem Gesetz hätte er jedes Recht dazu.«
Das Blut gefror in meinen Adern, und ich war wie gelähmt. »Warum hast du Will dann gesagt, er soll mich lieben?«
»Das habe ich nicht«, antwortete er. »Bei unserer kleinen Diskussion über dich habe ich ihm klargemacht, dass Michael ihn zur Rechenschaft ziehen würde. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich will, dass ihr zwei glücklich seid, und dass, wenn es um Liebe geht, Regeln nun mal gebrochen werden. Ich habe Will erklärt, dass er sich entscheiden muss, und er hat sich für seine Liebe zu dir entschieden.«
»Ich werde nicht zulassen, dass Michael ihn tötet«, versprach ich. »Ich brauche Will. Wie kann man jemanden töten, weil er liebt?«
Nachdenklich ließ Nathaniel den Blick über den See schweifen. »Aus Liebe zu handeln ist göttlichen Wesen verboten. Engelhafte Reaper sind Nachfahren von gefallenen Engeln, den Grigori, und deshalb sind sie in den Augen der Engel, und besonders einiger Erzengel, nicht besser als Abschaum. Nachdem du vergessen hattest, dass du Gabriel warst, hast du in deinen vergangenen Leben sterbliche Männer geheiratet und Kinder bekommen. Doch die meisten Engel halten die Nachkommen der gefallenen Grigori für abgrundtief böse, selbst wenn sie nicht dämonisch sind. In ihren Augen sind wir etwas Unnatürliches. Unnatürlich, aber nützlich.«
Jedes Wort traf mich schmerzhaft. Nachdem ich realisiert hatte, dass Will von Engeln getötet werden würde, wenn er mich anrührte, war soeben eine weitere Bombe geplatzt: Ich hatte Kinder bekommen. Ein Baby. Mehrere Babys. Als er es sagte, erinnerte ich mich an sie, aber nicht an die Gesichter der Männer, die ich vor Will geliebt hatte.
»Wo sind sie?«, fragte ich benommen. »Meine Kinder.«
»Ihre Nachkommen sind noch am Leben«, entgegnete Nathaniel. »Seit mindestens dreihundert Jahren hast du kein Kind mehr bekommen. Ich habe sie nicht mehr so gut im Blick wie früher. Aber ich weiß von einer amerikanischen Blutlinie.«
»Warum behältst du sie im Auge?«
»Die sterblichen Nachfahren, deine Kinder und deren Nachkommen, haben immer über eine gewisse Macht verfügt, die sich auf unterschiedliche Weise manifestiert. Sie sind stärker als jeder Seher, und vieles von dem, was sie tun können, ähnelt deinen eigenen Fähigkeiten, wenn auch in stark verwässerter Form und natürlich ohne Engelsfeuer. Eine Handvoll der engelhaften Reaper sind auserwählt worden, deine Nachfahren zu beobachten, für den Fall, dass sie gefährlich werden. Alles, was große Macht hat, ist potenziell gefährlich.«
Während ich mich fragte, wie es wäre, sie zu kennen, dachte ich gleichzeitig daran, dass ich jemand anderen geliebt hatte als Will. Er hatte gesagt, er hätte mich immer geliebt, und somit musste er mich auch geliebt haben, obwohl ich einen anderen liebte. Die Vorstellung brach mir das Herz. Wenn ich in meinen vergangenen Lebzeiten mit anderen Männern zusammen gewesen war, wie konnte ich Will vorwerfen, mit anderen Mädchen
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