Auf Den Schwingen Des Boesen
gut.«
»Ich dachte, ich könnte dich durch Weglaufen schützen«, räumte ich ein. »Wahrscheinlich war es richtig, Freunde und Familie hinter mir zu lassen, aber nicht dich und Nathaniel und die anderen. Ich wollte dich nicht bestrafen, das musst du mir glauben. Ich würde dir niemals mit Absicht wehtun.«
Er nickte. »Ich würde dir auch niemals absichtlich wehtun.«
Ich unterdrückte einen Schluchzer. »Wir sind beide ganz schön durch den Wind.«
Er lächelte. »Wir sind nun mal nicht perfekt und werden es auch nie sein.« Er gab mir einen Kuss auf die Wange und ließ die Arme hängen.
»Du solltest noch ein paar Stunden schlafen, bevor wir heute Abend auf die Jagd gehen«, riet ich ihm.
»Stimmt. Ich muss mich erholen.«
»Kann ich mich zu dir legen?«
»Natürlich«, sagte er nach kurzem Zögern. »Du musst dich auch ausruhen.«
»Aber vorher mach ich dir noch was zu essen.«
Ich nahm seine Hand und führte ihn nach unten in die Küche. Wir aßen ohne viele Worte, und danach half er mir beim Aufräumen. Als wir in Wills Zimmer kamen, zog ich die Jalousien hoch und ließ die Nachmittagssonne hereinscheinen, bevor ich in sein Bett stieg. Er sah mir schweigend zu, und als ich mir die Decke bis unters Kinn zog, legte er sich neben mich. Ich kuschelte mich an seine Brust, atmete seinen Geruch ein, und er küsste mein Haar. All die aufgestaute Spannung wich von mir, während wir uns von den Strahlen der Vorfrühlingssonne wärmen ließen und einschliefen.
DREIUNDZWANZIG
D er nächste Morgen war kalt und neblig, und ich war völlig frustriert nach der erfolglosen nächtlichen Jagd auf Bastian und seine Schläger. Nach einem kleinen Lauf mit Will ging ich duschen. In der Zwischenzeit hatte sich die Sonne durch die Wolken gekämpft, doch als ich in die Küche kam, wurde die gläserne Terrassentür von einem riesigen Schatten verdunkelt.
Flügel.
Überwältigt schnappte ich nach Luft, bevor ich die Tür öffnete und nach draußen trat. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich Nathaniels bloßen Rücken erkannte, doch seine gewaltigen kupferfarbenen Flügel hatte ich bislang noch nie zu Gesicht bekommen. Nachdem sie zunächst weit ausgebreitet waren, falteten sie sich auf seinem Rücken zusammen, verschwanden jedoch nicht. Sein T-Shirt hatte er über die Rückenlehne der Bankschaukel gelegt.
Vorsichtig trat ich näher. »Hey, Nathaniel.«
Er drehte sich zu mir um und schenkte mir ein warmherziges Lächeln. »Ellie.«
Ich bewunderte seine Flügel, deren Federkleid in verschiedenen Kupfertönen schimmerte. Im Sonnenlicht leuchteten sie in derselben Farbe wie seine Augen. »Was machst du da?«
»Nur ein paar Dehnübungen«, erwiderte er.
Es fiel mir schwer, den Blick von seinen Federn loszureißen. Ich hatte nicht oft Gelegenheit, Reaper-Flügel zu betrachten. Meist bekam ich sie nur beim Kämpfen zu Gesicht, und dann hatte ich keine Zeit, sie zu bewundern. Selbst Will mochte seine Flügel nicht gern herzeigen, und ich konnte an einer Hand abzählen, wie oft ich sie gesehen hatte. »Das sollte Will auch mal machen«, sagte ich grinsend. »Vielleicht wäre er dann nicht immer so mies drauf.«
Nathaniel lachte leise, während seine Flügel sich zusammenfalteten und im Rücken verschwanden. »Vielleicht, aber ich fürchte, er ist ein hoffnungsloser Fall.« Er zog das T-Shirt wieder an. »Es gibt heute noch Regen.«
Tatsächlich hatten sich im Westen bereits dunkle Wolken am Himmel aufgetürmt.
Nathaniel ließ sich auf der Schaukel nieder. »Komm, setz dich zu mir«, sagte er und deutete auf den freien Platz auf der Bank.
»Schade, dass es heute wieder viel kälter ist als gestern«, sagte ich fröstelnd und gesellte mich zu ihm.
»Temperaturschwankungen sind um diese Jahreszeit ganz normal.« Er drückte sich mit den Füßen ab und setzte die Schaukel in Bewegung. »Es ist so wunderbar, dass du hier bist, Ellie. Reaper lieben deine Nähe. Es ist unglaublich, wie nah Will und ich dir sind, wie gut Marcus dich kennt. Uns geht es so viel besser, wenn du da bist.«
»Besser?«, fragte ich. »Weil ihr mich dann besser beschützen könnt?«
»Ja«, erwiderte Nathaniel. »Aber es ist so viel mehr als das. Du hast etwas an dir, das Reaper anzieht. Es muss dein göttlicher Ursprung sein, den wir spüren können. Du fühlst dich warm an … gut . Man kann es nicht beschreiben. Wir sehnen uns nach deiner Nähe. Einige von uns bewundern dich deswegen noch mehr. Andere nehmen es dir übel, dass du eine gewisse
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