Auf Den Schwingen Des Boesen
verzweifelt nach mir um. Eine dunkle Woge schien über mich hinwegzugleiten, und instinktiv duckte ich mich. Orek war über meinen Kopf gesprungen, und ich sah voller Entsetzen, wie er vom Dach hinunter auf die Straße segelte. Der Nycteride landete mit einem gewaltigen Rums vor einem großen Umzugslaster. Der Fahrer stieg auf die Bremse und wich aus, wobei der Laster um ein Haar umgekippt wäre, doch der gewaltige Reaper stemmte sich mit Schulter und Flügel gegen den Wagen, der hochgerissen wurde, krachend auf der Seite landete und mit kreischendem Geräusch über den Asphalt schlitterte. Fußgänger stürmten in heller Panik davon, schrien und tobten und überrannten einander.
Ich erstarrte und wusste nicht, wie ich mich angesichts der chaotischen Geschehnisse auf der Straße verhalten sollte. Noch nie hatte ich vor Menschen gekämpft. Orek stieß mit schnappendem Maul und schwingendem Schwanz auf Will nieder, der sein Schwert kampfbereit in der Hand hielt. Mit einem Mal war Ava neben mir und spähte über den Sims.
»Was sollen wir machen?«, fragte ich entsetzt.
»Wir können ihm jetzt nicht helfen«, sagte sie mit gespenstisch ruhiger Stimme. »Wir würden die Lage nur noch schlimmer machen, als sie ohnehin schon ist.«
»Wieso können wir ihm nicht helfen?«, schrie ich. »Wir müssen da runter!«
Sie sah mich an, und ihre Miene verhärtete sich. »Will weiß, dass er Orek von den Menschen fortschaffen muss. Die Sterblichen haben jetzt schon zu viel gesehen. Aber das Chaos ist ein Glücksfall – sie werden nicht verstehen, was sie mit angesehen haben.«
Vor Zorn und Furcht zitternd starrte ich sie fassungslos an. In welcher Welt lebten die Reaper eigentlich, wenn sie einen chaotischen Tumult als Glücksfall bezeichneten? »Orek wird ihn töten!«
Sie packte meine Schultern. »Nein, das wird er nicht. Will weiß schon, was er tut.«
Ich blickte wieder zu meinem Beschützer, der mitten auf einer belebten Straße mit einem grässlichen Reaper um sein Leben kämpfte. Mein Herz schlug so heftig, als würde es zerspringen. Entschlossen festigte ich den Griff um meine Schwerter. Ich konnte nicht einfach so dastehen und ihm beim Sterben zusehen.
Ich sprang von der Dachkante, bevor Ava mich festhalten und aufhalten konnte. Der Wind fegte so wild gegen meinen Körper, dass ich nichts hörte als verzerrte Schreie. Orek schaute auf, als ich auf ihn zugeschossen kam. Er sprang in die Luft, schlug mit den Überresten seiner Flügel und schwang sich taumelnd in die Höhe. Er hatte das Maul weit aufgerissen, und ich starrte in die Untiefen seines grauenerregenden Schlundes. Als er zuschnappen wollte, schwang ich mein Schwert. Die Klinge durchtrennte seinen Hals mit einem sauberen Schnitt, und sein Kopf trudelte zu Boden. Ich sauste zwischen Feuer und Reaper-Asche auf die Straße zu, während sein Körper um mich herum in einem Meer aus Engelsfeuerflammen explodierte. Ich schloss die Augen, denn glühende Teile flogen mir ins Gesicht und versengten meine Haut. Jeden Augenblick musste ich auf dem Asphalt aufschlagen. Doch kurz vor dem unvermeidlichen Aufprall glitt etwas unter meinen Körper. Arme umschlangen mich, und plötzlich segelte ich höher und höher. Ich schlug die Augen auf und blickte in Wills entschlossenes Gesicht. Er hielt mich fest umklammert und flog mit mir über die Dächer der Stadt hinweg davon.
Wir landeten in einem ruhigen Waldstück, wo Will mich sanft zu Boden gleiten ließ. Meine Beine versagten ihren Dienst, und er musste mich festhalten, damit ich nicht stürzte.
»Du bist vollkommen verrückt geworden«, sagte er, indem er mich mit routinierten Griffen auf Verletzungen untersuchte. Seine Finger inspizierten jede kleine Wunde, die ich an Hals und Armen davongetragen hatte und die jetzt mit Reaper-Asche bedeckt war. »Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Ich zitterte noch immer am ganzen Körper und versuchte zu vergessen, wie der Reaper als Feuerball um mich herum explodiert und ich mit rasender Geschwindigkeit abwärtsgesaust war. Immer wenn ich die Augen schloss, sah ich mich selbst durch ein Flammenmeer stürzen. »Ich hatte Angst um dich.«
Er lachte und küsste mich auf die Stirn. »Hab bloß nie wieder Angst um mich. Du hättest sterben können.«
Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Daran hab ich in dem Moment nicht gedacht.«
Seine grünen Augen strahlten in der Dunkelheit, und sein Atem bildete weiße Wölkchen. »Du bist einmalig.«
Das Blut schoss mir in die Wangen, weil
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