Auf Den Schwingen Des Boesen
Gesicht veränderte sich noch immer, als hätte es keine feste Form, und aus ihrem Rücken erhob sich ein staubgraues Flügelpaar. Die gespreizten Federn ließen dolchartige Schatten über ihr Antlitz tanzen. Blinzelnd fragte ich mich, was sich da vor meinen Augen abspielte. Ihre Gesichtshaut spannte sich über den Knochen, die sich streckten und länger wurden, bis ihre Erscheinung nichts Menschliches mehr hatte, bevor sie wieder in ihren Normalzustand zurückkehrte. Als sie sprach, konnten ihre Lippen kaum die Worte formen, da ihr Gesicht ständig die Form wechselte.
»Du, sterbliche Version von Gabriel, Geschenk für die Dämonenkönigin«, krächzte Kelaeno, indem sie ihre Krallen einzog und wieder hervorschnellen ließ und auf mich zukam, so dicht, dass ich ihren fauligen Atem auf der Zunge schmeckte. »Die Kraft deines Herzens und deiner Hände wird vor deinen Augen dem Fluch eines Reapers zum Opfer fallen.«
Übelkeit stieg in mir hoch, und das Blut gefror mir in den Adern. Ihre feurigen Augen leuchteten auf, und ihre Lippen verzogen sich beim Anblick meiner Reaktion zu einem boshaften Grinsen. Sie legte den Kopf zur Seite und leckte sich die Lippen, bevor sie fortfuhr.
»Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe, denn du wirst alles verlieren, was du am meisten liebst, bevor du am Ende deine Seele verlierst.«
Während ihre Worte sich durch meine Eingeweide fraßen, sauste Wills Schwert zwischen mir und Kelaeno durch die Luft. Kreischend wich sie zurück. Er rammte ihr den Fuß in die Brust, doch dann brachen seine Rippen mit grässlichem Knacken, als sie ihn mit ihren Klauen attackierte. Ihre Macht explodierte, wirbelte wie ein schwarzer Ball um uns herum und verschluckte jegliches Licht. Durch die Wucht wurde Will in meine Richtung geschleudert. Als er auf dem Boden aufprallte, war ich schon an seiner Seite und ließ mich neben ihm auf die Knie fallen.
»Kelaeno!« Eine bekannte, furchtbare Stimme ertönte über dem Chaos und erschütterte meine Sinne.
Ich schaute nach oben, und das Blut in meinen Adern erstarrte zu Eis. Will rappelte sich mühsam hoch, und ich folgte seinem Beispiel.
Kelaenos Handgelenk wurde von einer anderen Hand umklammert – von Bastians Hand. Sein schwarzes Haar schimmerte wie vulkanisches Glasgestein, und seine himmelblauen Augen erinnerten an Neonlampen, als er und Kelaeno sich zähnefletschend gegenüberstanden. Kelaeno schnappte nach seinem Gesicht und lachte.
»Lass den Beschützer in Ruhe«, knurrte Bastian mit tiefer, kehliger Stimme.
Kelaeno grinste ihn spöttisch an und riss sich los. Bastian blinzelte und richtete sich überrascht auf, als hätte er von ihr nicht solche Kräfte erwartet – als hätte sie sie vor ihm geheim gehalten.
»Es geht dir nur um das Mädchen«, zischte sie. »Ich will die Gedärme des Beschützers zwischen die Zähne kriegen.«
Zitternd klammerte ich mich an Will, der sich schützend vor mich gestellt hatte. Das immense Gewicht der ungeheuren Energie der drei jahrtausendealten Reaper lastete auf jedem Quadratzentimeter meines Körpers, durchdrang mein Gehirn und machte mich schwindelig, als befände ich mich plötzlich in großer Höhe. Wir konnten nicht gegen alle drei gleichzeitig kämpfen, besonders nicht jetzt, nach dem erbitterten Kampf gegen Orek.
Bastian trat einen Schritt auf Kelaeno zu, überragte ihren zierlichen, dürren Körper. »Ich werde mich persönlich um ihn kümmern. Hier geht es um die Preliatin. Um ihn brauchst du dich nicht zu scheren.«
Sie öffnete den Mund und hob die Klauen, doch Merodachs Stimme durchschnitt die Stille wie ein Schwert. »Das reicht. Wir müssen los.«
Kelaeno spähte zum rötlichen Horizont. »Die Sonne«, trällerte sie. Mit einem einzigen Flügelschlag sprang sie in die Luft und verschwand im Limbus.
Bastian wandte sich Merodach zu und hob drohend die Hand. »Durchkreuze kein zweites Mal meine Pläne. Ich habe keine Zeit, um zu überprüfen, ob du alles zu meiner Zufriedenheit erledigst.«
Merodach schien durch Bastians Drohung nicht verängstigt, sondern lediglich verärgert.
Bastian schenkte mir ein vielsagendes Lächeln. In seinen Augen strahlte etwas auf, das aussah wie Bewunderung. »Wir sehen uns wieder, Gabriel.«
Wills Gestalt drängte sich wieselflink zwischen uns, sein Schwert blitzte auf, als er die Klinge hoch über den Kopf schwang und Bastian damit bedrohte. Der dämonische Reaper machte eine Handbewegung, und seine Macht prallte gegen Will und fegte ihn mit einem ungeheuren
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