Auf Den Schwingen Des Boesen
führte ihn zum Zelt des Händlers, da ich mir anschauen wollte, was er anzubieten hatte.
»Drachen«, sagte der Mann noch einmal, nickte Will zu und präsentierte mit strahlendem Lächeln seine wunderschönen Waren, zwischen denen er einen kunstvoll gearbeiteten Kamm hervorzog, der mit einem mythologischen Feuervogel verziert war. Er legte ihn auf seine Handfläche und zeigte ihn mir. »Fenghuang. Phönix.«
Ich verschlang den Kamm mit meinen Blicken, bewunderte die feinen Details und die herrlichen Farben. Ich nahm ihn in die Hand und strich mit den Fingern über die Flügel des Vogels.
»Wir nehmen ihn«, sagte Will. Er zog ein paar Münzen aus der Tasche und reichte sie dem Mann, der sich leicht verbeugte und mehrfach bedankte.
Ich schnappte kurz nach Luft, als Will mein Haar zurückstrich und es mit dem Kamm feststeckte. »Danke«, sagte ich und war wie hypnotisiert von dem Glück, das sich in seinen Augen spiegelte, und von dem leichten Lächeln, das seine Lippen kräuselte.
»Wunderschön«, sagte er und strich mit dem Daumen über meine Wange.
Meine Augenlider zuckten, und ich kehrte in die Gegenwart zurück, wo ich wieder in Wills Gesicht schaute. »Ich erinnere mich an den Kamm«, sagte ich. »Wolltest du ihn mir zurückgeben? Jetzt, wo ich wieder hier bin … und am Leben?«
Seine Kiefermuskeln traten hervor, und er räusperte sich. »Ja. Irgendwann schon. Ich wollte ihn dir geben, wenn du dich daran erinnerst. Du kannst ihn haben, wenn du willst.«
»Danke«, sagte ich und wünschte, ich hätte den Kamm in der Hand und könnte ihn anfassen. Stattdessen berührte ich den geflügelten Kettenanhänger, den ich um den Hals trug, und sah, wie Will auf meine Hand blickte.
»Warum hebst du ausgerechnet einen Jasminzweig auf?«, fragte ich neugierig und dachte an die sorgfältig getrockneten Blütenblätter, deren Duft noch so stark war. »Wusstest du, dass es meine Lieblingsblumen sind?«
»Der Zweig erinnert mich an dich«, sagte er leise. »Du hast immer nach Jasmin gerochen.«
Natürlich wusste er, dass ich Jasmin mochte. Er wusste alles über mich. Ich durchforstete meine Erinnerungen, die mal mehr und mal weniger deutlich an die Oberfläche kamen, und konnte mich nicht darauf besinnen, jemals ein anderes Parfum oder eine andere Duftcreme ausgewählt zu haben. Ich hatte mich immer für Jasmin entschieden. Jahrhundertelang hatte ich Jasmin gewählt.
Von meinen Gefühlen überwältigt schob ich mein Essen hin und her. »Wo ist Nathaniel?«
»Mit Lauren unterwegs.«
Ich nahm einen Bissen von den Eiern, um ihm eine Freude zu machen. Sie waren nicht so verbrannt, wie ich gedacht hatte. Trotz der gestrigen Vorfälle hatte er mir Frühstück gemacht, und ich wusste nicht, ob ich es über mich bringen würde, ihm zu danken. Dass ich sein Frühstück aß, bedeutete ihm mehr als dumme Worte. Er wusste, dass ich es zu schätzen wusste.
»Du hättest nicht tun sollen, was du gestern Nacht getan hast«, sagte ich.
Er musterte mich eindringlich. »Ich bedaure nichts.«
»Du hättest dich nicht einmischen sollen. Ich hatte alles unter Kontrolle.« Es war eine Lüge, und das wusste er. Obwohl er guten Grund gehabt hätte, mich auszulachen, tat er es nicht.
»Danach sah es aber nicht aus. Dieser Typ wollte deinen Zustand ausnutzen. Ich kenne dich besser als jeder andere. Wärst du richtig bei Sinnen gewesen, hättest du dich niemals so von ihm anfassen lassen.«
Ich nahm einen weiteren Bissen, weil ich nicht recht wusste, was ich sagen sollte. Er hatte Recht. Brian war ein Mistkerl. Ich wusste nicht, ob er zu einer Vergewaltigung fähig war, aber ich glaubte, dass ich in der Lage gewesen wäre, ihn abzuwehren, wenn es dazu gekommen wäre.
»Ich bereue nicht, dass ich ihn von dir heruntergezerrt habe«, fuhr Will mit fester Stimme fort. »Und ich finde es schrecklich, dass du so tust, als müsste ich mich dafür entschuldigen. Ich werde nie irgendetwas bedauern, das ich getan habe, um dich zu schützen.«
»Trotzdem hättest du sie nicht verprügeln sollen. Selbst gegen hundert von ihrer Sorte wäre es kein fairer Kampf gewesen. Du hättest sie alle töten können. Du hast mir Angst gemacht, Will. Ich dachte schon, du würdest ausrasten.« Ich wusste, dass er sehr zornig werden konnte. Hinter seiner kontrollierten Fassade verbarg sich ein dunkleres, aufbrausendes Temperament, und er würde vor nichts zurückschrecken, um mich zu beschützen.
»Ich war wütend, und ich weiß, es war falsch, aber dieser
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