Auf den Wogen des Glücks
legen lassen, haben Jacques Pernot und die Armee des Bey still und heimlich das Lager umstellt und von Norden aus angefangen, die Truppen zu entwaffnen.«
Dominique musste lachen. »Jetzt bin ich mir sicher, dass du fantasierst. Dein Rivale Pernot führt eine Armee an, um uns zu befreien?«
»Verdammt, genau das macht er. Stringfeld ist auch bei ihm. Nicholas sah sie durchdringlich an. »Glaubst du mir nicht? Dann bleib einfach hier.«
Ihr fiel der Unterkiefer herunter. »Du würdest mich wirklich zurücklassen?«
»Genau das würde ich tun.« Mit diesen Worten ging er an ihr vorbei und schritt mit dem Jungen auf dem Rücken, der sie über seine Schultern hinweg spitzbübisch angrinste, in Richtung Ausgang. Nach Luft schnappend setzte sie den beiden nach und wäre hinter dem Zelteingang aus Stoff fast mit ihnen zusammengeprallt. Der Anblick verschlug ihr den Atem. Das Lager war ein Kriegsschauplatz. Schwerter berittener Beduinen sausten durch die Luft, die Beduinen kämpften gegen Ramzis Männer am Boden und gegen jene, die sich in den Sattel geschwungen hatten. Leichen lagen im Sand, einige davon bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Von Dutzenden von Zelten schössen Flammen gen Himmel, und Schwefelschwaden durchzogen die Luft, Schwefel, der von vielen Pistolen gleichzeitig ausgespuckt wurde.
»Bleibt hier!«, rief Nicholas gegen den Lärm an und bückte sich, um den Jungen abzusetzen. »Ich besorg uns ein Pferd.«
»Aber ...« Er verlor keine Zeit, schaute sie nicht einmal mehr an und war im nächsten Moment in einer dichten Rauchwolke verschwunden, die aus einem benachbarten Zelt kam. Funken flogen durch die Luft. Das Kind ganz eng an sich gedrückt, blieb sie im Schutze der Zeltwand stehen und versuchte die Funken auszutreten, die vom Himmel zu regnen schienen. Es war nur eine Frage von Minuten, bevor das Zelt lichterloh brennen würde. Voller Panik hielt sie Ausschau nach Nicholas. Keine zehn Meter von ihr entfernt kämpften zwei Männer mit Säbeln gegeneinander. Dominique presste das Gesicht des Jungen gegen ihren Bauch, als der größere der beiden - ein Mann, den sie meinte, schon einmal gesehen zu haben - seine Waffe tief in die Brust des anderen stieß. Bevor dieser zu Boden ging, hatte der andere sich schon wieder umgedreht und focht mit lauten Klingenhieben gegen einen neuen Angreifer. Sie versteinerte, als sie erkannte, wer der großgewachsene Mann war. Meyer!
Flammen züngelten an den Zeltwänden. Rauch hüllte sie ein. Dominique keuchte, hustete und spürte die ersten Anzeichen von Panik in ihr aufsteigen. »Nein, ich werde nicht an ihm zweifeln ...«
»Hier, Mademoiselle!« Aus den Rauchschwaden kam erst ein gewaltiges schwarzes Pferd, dann ein Gentleman mit weißem Schnurrbart und dekorierter Uniform zum Vorschein, der aus dem Sattel sprang und zu ihr herüberlief. Mit besorgtem Blick schaute er sie von oben bis unten und von unten bis oben an. »Merdel Mademoiselle Willoughby, nicht wahr? Geht es Ihnen gut?«
Dominique nickte. »J-ja, uns fehlt nichts, aber ...«
»Ich bin Major Jacques Pernot. Kommen Sie - beide - rauf auf mein Pferd. Jetzt!«
Dominique versuchte, aufrecht zu stehen, aber es half nichts. Ihre Kräfte waren aufgezehrt, stattdessen setzte ein unkontrollierbares Zittern ein. »Nicholas ...«, weinte sie leise vor sich hin, als Pernot, der ihre Worte nicht vernommen zu haben schien, sie auf den Rücken des Pferdes hievte, einen weiteren Reiter anhielt und anwies, den Jungen mit in dessen Sattel zu nehmen. Tränen schwammen in ihren Augen, liefen ihr die Wangen hinunter. Sie konnte nichts und niemanden erkennen. Und dann ging mit einem Mal Ramzis Zelt in Flammen auf. Sie versuchte, vom Pferd zu gleiten, aber Peniot war zu stark und zu schnell für sie. Ehe sie sich versah, hatte er sich hinter sie auf den Sattel geschwungen und drückte sie mit einem Arm, der so dick und stark wie Stahl war, gegen sich.
»Nein!«, schrie sie. »Ich kann ihn nicht einfach zurücklassen ...«
Pernot brüllte einen Befehl und riss mit einer solchen Kraft an den Zügeln, dass das Pferd im Nu eine Kehrtwende machte und mit ihnen in die Wüste hinausjagte.
25
Dominique schreckte aus dem Schlaf und blickte die Zimmerdecke über ihr an. Sie versuchte, anhand der sie umgebenden Opulenz zu ergründen, wo sie war.
In Bey Hamoudas Palast. In Nicholas' Gemach. In seinem Bett.
Jenseits der Fenster kündigte sich die Dämmerung an. Dominique schloss wieder die Augen und rollte sich auf die Seite,
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