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Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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während sie die Hand ausgrub, war ihr klar, daß sie damit den Durchbruch geschafft hatte. Sie hatte gefunden, wonach alle gesucht hatten. Säuberlich hatte sie den Faustkeil und die mehreren hundert Knöchelchen beschriftet, sie gereinigt und mit Kunstharz präpariert.
    Jane widmete sich wieder dem Buch und las die Erläuterung neben dem Foto. Diese Hominidenband mit Faustkeil wird auf über 2,8 Millionen Jahre v. Chr. datiert und ist das damit älteste Beweisstück für die Verwendung von Steinwerkzeugen (Barrett u.a., 1990).
    Barrett. War das ihr Nachname? Oder hatte sie damals nur als Assistentin für jemanden gearbeitet, der ihre Entdeckung für sich beanspruchte? Sie schlug im Register nach, aber Barrett wurde nirgendwo sonst aufgeführt. In den anderen Büchern wurde die Hand nicht einmal erwähnt; dazu war der Fund zu neu.
    Innerlich bebend ging sie zur Auskunftstheke und wartete, bis die Bibliothekarin von ihrem Computer aufsah. »Guten Tag«, sagte sie und ließ ihr strahlendstes Lächeln aufblitzen. » Können Sie mir vielleicht helfen?«
    Als sie aufs Revier kam, kauerte Will an einem Schreibtisch, der viel zu klein für ihn schien, und wühlte in einem Stapel Papiere. »Polizeiberichte«, grummelte er. »Ich hasse diesen Scheiß.« Er schob die Blätter mit dem Arm beiseite und deutete auf einen Stuhl. »Haben Sie Ihr Bild schon gesehen?« Will hielt die Zeitung hoch.
    Jane schnappte sie ihm aus der Hand und überflog den Text. »Guter Gott«, murmelte sie. »Das klingt, als sei ich ein Findelkind.« Sie warf die Zeitung auf den Schreibtisch. »Und Sie wurden mit Anrufen überschwemmt?«
    Will schüttelte den Kopf. »Nur Geduld«, tröstete er sie. »Es ist noch nicht mal Mittag.« Er schob seinen Bürostuhl zurück und kreuzte die Füße auf der Schreibtischplatte. »Außerdem gewöhne ich mich langsam daran, Sie als Haushälterin zu haben.«
    »Dann sollten Sie sich allmählich nach einem Ersatz umsehen«, sagte sie und schob ihm die Kopie der Buchseite zu. »Das ist meine Hand.«
    Will setzte sich auf, warf einen Blick auf das verschwommene Bild und pfiff leise. »Für Ihr Alter haben Sie sich aber gut gehalten«, meinte er.
    Jane riß ihm die Kopie wieder aus der Hand und strich sie an der Schreibtischkante glatt. »Ich habe diese Hand in Afrika entdeckt«, erklärte sie. »Vielleicht bin ich ja diese >Barrett<.«
    Will zog die Brauen hoch. »Sie haben das entdeckt?« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Barrett, wie?«
    Sie zog die Schultern hoch. »Ich bin mir noch nicht sicher. Vielleicht heißt auch nur der Wissenschaftler so, der die Ausgrabungen geleitet hat.« Sie deutete auf die Textstelle. »Ich könnte auch (u.a.) sein. Ich habe die Bibliothekarin dazu überredet, mir mehr Material zu besorgen.« Sie strahlte. »Morgen nachmittag müßte ich wissen, wer ich bin.«
    Will lächelte sie an. Er fragte sich, was er wohl tun würde, wenn sie ihn allein ließ und in ihr eigenes Leben zurückkehrte. Er fragte sich, wie leer ihm sein Haus wohl vorkommen würde, wenn nur noch ein Mensch darin lebte, und ob sie ihn manchmal anrufen würde oder nicht. »Also«, sagte er, »dann sollte ich Sie wohl lieber Barrett nennen.«
    Sie hielt inne und sah ihn an. »Ehrlich gesagt habe ich mich an Jane gewöhnt.«
    Herb Silver war Frühaufsteher und hatte schon um sechs Uhr am Pool gefrühstückt: Tomatensaft, Grapefruitsaft und eine Havanna. Er blinzelte in die Sonne, schlug die Times auf und starrte auf das Bild auf Seite drei, bis ihm die Zigarre unbemerkt aus dem Mundwinkel ins flache Beckenende fiel. »Ach du Scheiße«, sagte er und zog das Funktelefon aus der Bademanteltasche. »Ach du große Scheiße.«
    Für keinen anderen Schauspieler hätten sie die Dreharbeiten unterbrochen, aber er war einer der Produzenten und der Hauptdarsteller in Personalunion, und wenn sie Geld verschwendeten, dann wäre es seins. Er wischte sich mit dem Arm über die Stirn und verzog das Gesicht, als Schminke den Ärmel seines Samtwamses verschmierte. Es hatte verdammte zwanzig Grad in Schottland, aber der Ausstatter hatte im Rittersaal der Burg für die Dreharbeiten zu Macbeth hundert Fackeln aufstellen lassen. Logischerweise konnten sie keine Einstellung abfilmen, ohne daß ihm der Schweiß in die Augen lief.
    Jennifer, seine verhuschte kleine Assistentin, stand mit dem Handy neben einer überzähligen Rüstung. Er nahm ihr das Telefon aus der Hand und entfernte sich ein paar Schritte von ihr und der People-Reponerin, die

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