Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf den zweiten Blick

Auf den zweiten Blick

Titel: Auf den zweiten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
Sunset Boulevard einem Drogensüchtigen oder einem Zuhälter in die Arme zu laufen, war wesentlich größer, als an jemanden von außerhalb zu geraten - noch dazu jemanden, der einer Fremden seinen Hausschlüssel und zwanzig Dollar überließ, ohne irgendwelche Fragen zu stellen oder irgendeine Gegenleistung zu erwarten.
    Ihre Augen leuchteten auf. Sie konnte sich revanchieren; sie konnte für ihn auspacken. Ihr Einrichtungsgeschmack entsprach vielleicht nicht dem seinen – tatsächlich hatte sie keine Ahnung, was für einen Geschmack sie hatte –, aber bestimmt fand er es nett, wenn er heimkam und die Töpfe und Pfannen eingeräumt waren und die Handtücher im Schrank lagen.
    Voller Eifer machte Jane sich an die Arbeit, Wills Haus aufzuräumen. Sie räumte die Küche und das Bad und den Putzschrank ein, aber erst, als sie sich ans Wohnzimmer wagte, mußte sie wirklich kreativ werden. Dort lagen, in zwei Kisten verpackt und sorgfältig mit Zeitungspapier umwickelt, verschiedenste indianische Artefakte. Sie packte erst wunderschöne, mit Stachelschweinborsten bestickte Mokassins aus, dann eine lange, gegerbte und mit Jagdszenen bemalte Tierhaut. Sie stieß auf einen aufwendig gearbeiteten Quilt und einen Fächer aus Federn und ein rundes, perlenbesetztes Medaillon. Ganz unten in der Kiste lag ein kleiner, mit Perlen und bunten Federn besetzter Lederbeutel, auf den ein laufendes Pferd gemalt war. Er war mit einer Sehne zugebunden, und obwohl sie sich alle Mühe gab, schaffte sie es nicht, den Beutel zu öffnen und hineinzuschauen.
    Sie wußte nicht, wozu die meisten dieser Objekte dienten, aber sie behandelte alles mit äußerster Vorsicht. Langsam wurde ihr Will vertrauter. Sie sah die nackten Wände an und dachte: Wenn ich weit fort wäre, würde ich etwas haben wollen, was mich an zu Hause erinnert.
    Niemand hatte sich auf der Academy nach einer Vermißten erkundigt. Will verbrachte den Tag damit, vom Captain anderen Kollegen im Police Department vorgestellt zu werden, seine Marke abzuholen und die Formalitäten zu erledigen. Als er seine Waffe ausgehändigt bekam, fragte der Beamte, der seine Personalien aufnahm, ob er nicht lieber einen Tomahawk wolle; sein neuer Partner fand es wahnsinnig komisch, ihn Crazy Horse zu nennen, aber das war nichts Neues für Will. Dem Beamten, der ihm ein blaues Auge geschlagen hatte, begegnete er nicht; Beverly Hills war allerdings ein eigener Bezirk. Als ihn ein paar kichernde Sekretärinnen fragten, wie er zu dem Bluterguß gekommen sei, zuckte er die Achseln und sagte, ihm sei jemand in die Quere gekommen.
    Es war schon vier Uhr vorbei, als er sich endlich ein Herz faßte und an die Tür seines neuen Captains klopfte, um ihm von Jane zu erzählen. »Kommen Sie rein«, sagte Watkins und winkte Will zu sich. »Na, finden Sie sich schon zurecht?«
    Will schüttelte den Kopf. »Es ist anders hier.«
    Watkins grinste. »In South Dakota sind wir hier jedenfalls nicht«, meinte er. »Ein paar Verkehrsvergehen von irgendwelchen Filmstars, ein Drogeneinsatz, und schon sind Sie ein alter Hase.«
    Will rutschte auf seinem Stuhl herum. »Ich wollte mit Ihnen über einen Vermißtenfall sprechen«, sagte er. »Eigentlich wollte ich wissen, ob -« Er verstummte und rieb sich mit den Händen über die Schenkel, um Haltung zu bewahren. Es gab keinen Königsweg, die Tatsache zu erklären, daß er die Bestimmungen umgangen hatte; Jane hätte eigentlich schon längst auf dem Revier sein und fotografiert werden müssen. »Ich habe gestern abend eine Frau gefunden, die unter Amnesie leidet. Wir sind ins Krankenhaus gefahren, aber weil es schon so spät war, habe ich sie nicht gleich hergebracht.« Will sah den Captain an. »Ist Ihnen irgendwas darüber zu Ohren gekommen?«
    Der Ältere schüttelte bedächtig den Kopf. »Da Sie noch nicht im Dienst waren«, erklärte er, »werde ich Ihnen keine Vorhaltungen machen. Aber sie muß aufs Revier kommen und befragt werden.« Watkins musterte Will nachdenklich, und Will begriff, daß er den Captain gegen sich eingenommen hatte, auch wenn er ihm scheinbar vergeben hatte. »Vielleicht steht ihr Gedächtnisverlust in Zusammenhang mit einem Verbrechen.« Watkins schaute Will scharf an. »Ich nehme an, Sie wissen, wo sie sich aufhält. Ich schlage vor, Sie bringen sie so schnell wie möglich her.«
    Will nickte und ging zur Tür. »Und, Officer«, rief Watkins ihm nach, »von jetzt an halten Sie sich an die Spielregeln.«
    Den ganzen Weg zurück nach Reseda

Weitere Kostenlose Bücher