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Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman

Titel: Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dass sie das nicht lebend wieder verlassen wird. Lungenentzündung klingt für sie eben viel schlimmer als Oberschenkelhalsbruch – tödlich, sozusagen.«
    Felix nickte. »Keine Sorge«, sagte er. »Ich mach das schon.« Und das tat er dann auch. Innerhalb von wenigen Minuten schaffte er es, die starr auf ihrem Sessel sitzende und vor sich hin schluchzende Frau Baronski zu beruhigen. Bereitwillig ließ sie sich von ihm abhören (nachdem sich die Pflegerin seinen Arztausweis hatte zeigen lassen, offenbar traute sie uns nicht so recht über den Weg) und trocknete ihre Tränen mit dem Taschentuch, das ich ihr reichte. Da Frau Baronski kein Fieber hatte und das Abhorchen ohne Befund geblieben war, meinte Felix, eine Lungenentzündung getrost ausschließen zu können. Der schlimme Husten sitze mehr auf den Bronchien. Und Frau Baronski müsse Ruhe haben und möglichst viel trinken. Ich seufzte vor Erleichterung, und Frau Baronski war wieder ganz die Alte.
    »Das habe ich denen schon die ganze Zeit gesagt«, erklärte sie und zeigte auf die Pflegerin.
    Die ging kopfschüttelnd zur Tür. »Sie haben gesagt, Sie bleiben im Sessel sitzen, bis Sie dahingewelkt sind wie die Kameliendame. Und wenn Sie jemand anrührt, dann, haben Sie gesagt, schreien Sie, bis Ihre Lungen bluten. Außerdem wollten Sie partout nichts trinken, weil Sie Angst hatten, aufs Klo zu gehen. Wenn der Doktor nicht gekommen wäre, hätte ich den psychologischen Dienst verständigen müssen.«
    » Ganz so war das aber nicht.« Frau Baronski schaute ihr beschämt hinterher. Aber als die Tür zuging, strahlte sie wieder. »Danke, lieber Doktor«, sagte sie. »Sie sind wirklich ein Engel. Und Sie auch, Kati! Wenn ich Sie nicht hätte. Und wie hübsch Sie heute Abend wieder aussehen! Sieht sie nicht hübsch aus, Doktor? Sie ist so ein liebes Kind. Sie glauben gar nicht, wie rührend sie sich um meinen Muschi gekümmert hat!«
    Während ich ihr ein großes Glas Wasser eingoss und darauf achtete, dass sie es auch austrank, zeigte Frau Baronski Felix die Bilder von Muschi. Dann legte sie ihren Kopf schief, sah ihn treuherzig an und fragte: »Und Sie haben auch bestimmt nicht gelogen? Ich habe keine Lungenentzündung und werde nicht wie die Kameliendame dahinsiechen?«
    »Nein«, sagte Felix. »Die Kameliendame ist an Tuberkulose dahingesiecht, soviel ich weiß. Und das bekommt man heute mit Antibiotika gut in den Griff.«
    »Ach, Sie sind so nett«, sagte Frau Baronski begeistert. »Und belesen sind Sie auch noch. Und ein sehr stattlicher, junger Mann, nicht wahr, Kati-Kind? Hübsch sieht er aus, unser Herr Doktor.«
    »Ja«, stimmte ich zu, und als sich mein Blick mit Felix’ kreuzte, schien ihm einzufallen, dass er jetzt gehen musste. Er griff nach seiner Arzttasche. Frau Baronski bestand darauf, ihn zu küssen.
    »Soll ich dich wieder mit zurücknehmen … oder irgendwo absetzen?«, fragte er mich. Offenbar war ihm Misery immer noch nicht in den Sinn gekommen. Und irgendwo in der letzten Stunde war ihm auch das »Sie« abhandengekommen. Er hatte beschlossen, ab jetzt »du« zu seiner Stalkerin zu sagen.
    Ich musste lächeln. »Sehr nett, danke. Aber ich bleibe noch ein bisschen bei Frau Baronski und fahre später mit dem Bus.« Sie hatte unter Garantie nichts zu Abend gegessen, also würde ich versuchen, noch etwas zu essen aufzutreiben und ihr dann beim Zubettgehen helfen. »Felix, das war wirklich … unheimlich nett! Ich weiß gar nicht, wie ich mich bedanken soll.«
    Felix lächelte ein bisschen schief. »Na ja … vielleicht, indem du mich ab jetzt einfach in Ruhe lässt?«
    Ich schluckte. »Natürlich. Mach ich. Versprochen. Wenn du mir den Brief gibst!«
    »Ach ja, den hatte ich ganz vergessen.« Er griff nach hinten in die Hosentasche und holte das Kuvert heraus. Ich war so blöd! Warum hatte ich es ihm nicht einfach geklaut, während er Frau Baronski untersucht hatte? Er drehte den Brief unschlüssig zwischen seinen Händen.
    »Es steht wirklich nur Unsinn drin«, versicherte ich ihm. »Bitte, gib ihn mir einfach – und du siehst mich nie wieder.«
    Felix schüttelte den Kopf. »Ich hab ja nicht mal die Garantie, dass er überhaupt von dir ist, Kati.«
    »Also wirklich! Wenn er nicht von mir wäre, hätte ich doch wohl kaum versucht, ihn wieder aus dem Briefkasten …« Ich verstummte, weil mir die Logik der Argumentation selber nicht einleuchtete.
    »Tut mit leid«, sagte Felix. Und dann ging er. Mit meinem Brief.
    Ich sah ihm verwirrt und mit

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