Auf der anderen Seite ist das Gras viel gruener - Roman
Einsatz, denn jetzt öffnete sich die Haustür in meinem Rücken, und ohne hinzusehen, wusste ich, dass es Felix war, der da mit seinem Fahrrad unterm Arm hereinkam. Es war dieses ganz bestimmte dumpfe Ploppen, das der Lenker machte, wenn er gegen die Tür schlug.
»Ich muss auflegen, Linda«, flüsterte ich.
»Ist jemand gekommen? Neiiiin! Drück mich nicht weg, bit…«
Ich musste zweimal tief Luft holen, bevor ich den Mut hatte, mich langsam zu Felix umzudrehen. Zu sagen, dass er mich fassungslos anstarrte, wäre noch untertrieben gewesen.
Ich wartete zwei Sekunden, dann sagte ich: »Ja, okay. Das ist Ihr Briefkasten, und richtig, ich stecke mit meiner Hand darin fest.«
»Das sehe ich«, sagte Felix und stellte sein Fahrrad ab. »Die Frage ist, warum stecken Sie mit Ihrer Hand in meinem Briefkasten fest?«
»Nein, das ist nicht die Frage«, sagte ich. »Die Frage ist, wie komme ich da wieder raus?«
Felix trat einen Schritt näher und untersuchte die Lage.
»Aua«, sagte ich, als er vorsichtig an meiner Hand rüttelte.
»Es hilft nichts, dass ich den Briefkastenschlüssel habe, Sie klemmen im Schlitz fest wie die verdammte Süddeutsche«, erklärte Felix mit seiner allerbesten Arztstimme.
»Ach.« Es irritierte mich, dass er so nah vor mir stand. Er roch so vertraut – und gleichzeitig fremd, nach einem würzig-männlichen Aftershave, bestimmt ein Geschenk von Lillian. Es roch lecker, aber ich hasste es. »Ihr Aftershave ist ekelhaft«, sagte ich.
Er musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Was zur Hölle haben Sie in meinem Briefkasten verloren?«
»Ähm, wenn Sie es genau wissen wollen: zwei Gabeln!«, sagte ich. »Und einen Brief, der da nicht hineingehört.«
»Sondern?«
»Sondern … Hören Sie, ich weiß, das muss komisch für Sie aussehen, aber ich wollte nur verhindern, dass Sie etwas erfahren, das Ihnen …« Ich seufzte. »Da steht nur wirres Zeug drin, und ich möchte ihn gerne wiederhaben.«
»Sie sind doch die Frau von neulich, aus dem Supermarkt. Mit den Cornflakes«, stellte Felix nun fest, der eigentlich ein beschissenes Personengedächtnis hatte. »Warum schreiben Sie mir einen Brief? Und wo ist Ihr merkwürdiger Dialekt geblieben?«
Ich beschloss, ihn einfach anzulügen. »Ich verspreche Ihnen, dass ich alles erkläre, wenn Sie mich hier rausholen, ja?«
Felix’ Augenbrauen waren immer noch skeptisch zusammengezogen. Übrigens schienen sie wieder ein wenig gewachsen zu sein. Sie waren noch nicht ganz so wild wie früher, aber auf dem Weg dahin. Wahrscheinlich hatte Lillian ihm schon einen neuen Termin im Schönheitssalon gemacht.
Er seufzte. »Ich hole jetzt aus meiner Wohnung ein paar Utensilien, mit denen ich Sie befreien werde, in Ordnung?«
Ich nickte. Das war sehr in Ordnung! Bei der Aktion würde er sicher die Briefkastentür öffnen, und sobald meine Hand wieder frei war, würde ich mir den verdammten Brief greifen und abhauen, so schnell ich konnte. Sollte Felix mich einholen, würde ich den Brief in den Mund schieben und runterschlucken. Das hatte ich als Kind mehrfach mit Zetteln gemacht, die der Lehrer auf keinen Fall lesen durfte. (Und gerade erst als Erwachsene, nur dass ich da einen Brownie genommen hatte und kein Papier.)
»Rühren Sie sich nicht vom Fleck«, rief Felix über seine Schulter, als er schon auf der Treppe war. Haha, sehr witzig.
Hinter mir ging die Haustür erneut auf, und das Ehepaar aus dem dritten Stock rechts kam mit Einkaufstüten an mir vorbei. Sie grüßten freundlich. Dass ich mit der Hand im Briefkastenschlitz ihres Nachbarn steckte, fanden sie offensichtlich nicht weiter bemerkenswert. Erst als sie an der Treppe waren, drehte sich der Mann noch einmal zu mir um.
»Das ist aber mit Herrn Leuenhagen abgesprochen, ja?«, fragte er.
»Ähm, ja. Das ist abgesprochen«, sagte ich. Hatte der sie noch alle?
Du kriegst jetzt meinen letzten Krümel Würde. Guten Appetit!
Hugh Grant in »About a Boy«
Mein Handy spielte »Theo, wir fahr’n nach Lodz«, und ich stöhnte laut, als ich es wieder aus der Handtasche angeln musste. Bestimmt Linda, die vor Neugierde platzte. Aber es war nicht Linda, es war Frau Baronski. Ich hatte ihr meine Handynummer für Notfälle gegeben. Oder wenn sie einfach mal Lust hatte zu reden. Aber das hier war offensichtlich ein Notfall.
»Ach, Gott sei Dank, dass ich Sie erwische, Kindchen! Sie wollen mich hier wegbringen!«, rief sie. »Aber ich habe gesagt, ich werde diesen Sessel nicht
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