Auf der Jacht des griechischen Millionaers
geschehen war. Doch die wirkliche Qual saß viel tiefer. Ihr Stolz hatte Schaden gelitten, ebenso wie ihre Unabhängigkeit. Da hätte sie genauso gut Thio Vasilis erlauben können, einen Ehemann für sie auszusuchen, wie er es damals gewollt hatte. Das hätte ihr zumindest Alex Mandrakis erspart.
Natasha schwang die Füße aus dem Bett und stand auf. Paraskevi hatte die Vorhänge zurückgezogen und die Läden geöffnet, die Morgensonne flutete ungehindert in den Raum.
Ein Gewitter mochte sich verzogen haben, doch das nächste – bildlich gesprochen – stand bevor. Natasha nahm ihren Kulturbeutel aus der Reisetasche und prüfte, ob ihr Pass noch in ihrer Handtasche steckte. Ja, da war er, zusammen mit der Brieftasche. Sie konnte also jederzeit gehen, auch wenn sie diese Nacht lange nicht vergessen würde. Manche Erinnerungen brauchten eben Zeit, bevor sie verblassten.
Denn irgendwann würden sie verblassen. Der Tag würde kommen, an dem sie wieder sie selbst sein konnte und ihr alles nur noch wie ein böser Traum erschien.
Das schwor Natasha sich, und daran würde sie sich festhalten.
Das heiße Bad tat gut. Allerdings war es ein Dämpfer für Natashas Stimmung, dieselben – wenn auch gewaschenen – Sachen von gestern anziehen zu müssen. Sie wollte sich nicht daran erinnern, wie sie mehr oder weniger gezwungen worden war, sich auszuziehen. Bei der ersten Gelegenheit verbrenne ich alles, dachte sie wütend.
Fertig angezogen, das Haar locker hochgesteckt, ging sie, um ihre Taschen zu holen. Plötzlich blieb sie reglos stehen. Vielleicht gab es ja noch etwas, das sie verbrennen konnte. Der Brief.
Natasha lenkte ihre Schritte zu dem Nachttisch und zog die Schublade auf, doch der Aktenordner lag nicht mehr darin.
Mit einem frustrierten Seufzer wandte sie sich ab, riss die Schlafzimmertür auf – und prallte zurück. Der Mann vom Flughafen!
„ Kalimera, Despinis . Ihr Frühstück ist auf der Terrasse serviert. Ich werde Sie hinführen.“
„Danke, ich bin nicht hungrig.“ Eine glatte Lüge, sie kam halb um vor Hunger, nur würde sie das nie zugeben. „Ich würde es vorziehen, sofort zu fahren.“
„Das besprechen Sie besser mit Kyrios Alexandros, Despinis .“ Höflich, aber unerbittlich, nahm er ihr das Gepäck ab. „Er erwartet Sie schon. Wenn Sie bitte mitkommen wollen?“
Und wenn nicht? Hätte sie fast erwidert, verkniff es sich aber. Sie wollte die Antwort nicht wirklich hören. Es würde also ein letztes Treffen geben. Vielleicht konnte sie sogar einen würdevollen Abgang inszenieren und so ihre Selbstachtung wiederherstellen.
Alex Mandrakis saß am gedeckten Frühstückstisch auf der mit Bougainvilleen überrankten Terrasse und las Zeitung. Der oberste Knopf seines makellos weißen Hemdes stand offen, die Seidenkrawatte hatte er gelockert. Als Natasha sich näherte, erhob er sich und bedeutete ihr, sich auf den Stuhl ihm gegenüberzusetzen, den der Leibwächter für sie abgerückt hatte.
„Ist dieser Wachhund wirklich nötig?“, fragte Natasha kalt, sobald sie allein waren.
„Er ist ein loyaler Mitarbeiter.“ Alex schenkte Natasha ein Glas Orangensaft ein. „Du wirst dich an ihn gewöhnen müssen.“
Das klang keineswegs nach Abschied! Ihr Optimismus bekam einen gehörigen Dämpfer. Sie nahm ein Brötchen aus dem Brotkorb, den Alex ihr hinhielt.
„Kaffee steht auf dem Tisch, aber ich kann auch Tee kommen lassen, wenn du möchtest.“
Sie griff nach der Marmelade. „Bitte bemühen Sie Ihr Personal nicht meinetwegen.“
„Wenn du einen Wunsch hast, brauchst du es nur zu sagen. Ich möchte, dass du dich wohlfühlst.“
„In diesem Fall … Lassen Sie mich von Ihrem Chauffeur nach Hause fahren.“
„Da muss ich dich enttäuschen. Dein Zuhause ist hier, bis ich anders entscheide. Je eher du das akzeptierst, desto besser. Und jetzt sollten wir das gemeinsame Frühstück genießen.“ Er lächelte charmant. „Es ist hoffentlich das erste von vielen.“
Natasha kniff die grünen Augen zusammen und fixierte Alex ablehnend.
„Was ist, agapi mou ? Hat es dir die Sprache verschlagen? Vielleicht solltest du doch besser Tee trinken“, schlug er amüsiert vor.
„Himmel, Sie sind unglaublich! Sie zerstören mein Leben, und dann sitzen Sie da und plaudern über meine Getränkewahl?“
Alex zuckte mit den Schultern. „Tee beruhigt bei Schock.“
„Ich bin nicht schockiert“, behauptete sie kühl, ohne sich den inneren Tumult anmerken zu lassen. „Die Ereignisse der letzten
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