Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Sonnenseite - Roman

Auf der Sonnenseite - Roman

Titel: Auf der Sonnenseite - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
Vom Netzwerk:
hatte, war der krokodilgeplagte Lenz mal wieder von Schreibtisch zu Schreibtisch gewandert. Um voller Empörung zu fragen: »Wie finden Sie denn das, dass jeder Geringverdiener diesem Nabel seine Fettlebe bezahlt? Ist doch ’ne Riesensauerei. Das kann man doch nicht einfach schlucken, dagegen muss man doch was tun.«
    Im Prinzip war man derselben Ansicht, aber: »Und was wollen Sie tun? Bertholds gut zureden, die Zahlungen einzustellen? Na, besten Dank! Wenn wir ihn nicht schmieren, schmiert ihn die Konkurrenz. Hier gilt nämlich Cosi fan tutte – so machen’s alle! Schert Willgruber & Dietz wegen irgendwelcher moralischen Erwägungen aus, bringt das dem Unternehmen horrende Umsatzeinbußen und wir sind bald pleite. Und dann stehen Hunderte Mitarbeiter auf der Straße. Wollen Sie das?«
    Wer wollte das schon? Lenz erkannte, dass die Sauerei von gewissen Zwängen diktiert wurde und keine typische Willgruber & Dietz -Spezialität war, und er sah darin einen erneuten Beweis dafür, dass er die ideologische Unfreiheit des Ostens gegen die materielle Unfreiheit des Westens eingetauscht hatte.
    Eine Einsicht, die das Krokodil in seinem Nacken nicht besänftigte. »Ach, so ist das!«, wies es ihn zurecht. »Weil die Sauerei systemimmanent ist, zuckst du nur die Achseln! Weshalb hast du in dem anderen versauten System denn nicht nur die Achseln gezuckt, du Held der westlichen Welt? Hast wohl keine Courage mehr?«
    Aber was sollte er denn tun? Kündigen? Bei jeder anderen Firma gab es einen anderen Dr. Nabel. Wieder Pflasterer werden, weil er unter den Marokkanern nicht mitbekam, wie geschmiert und beschissen wurde? Oder reumütig bei Haus & Hof anklopfen und selbst die Leute bescheißen? – Oder sollten Hannah und er, wie schon von Silke befürchtet, gar erneut auswandern? Aber wohin denn diesmal? Wo, bitte, war es besser?
    Sein Glück, dass er mit Inlandsgeschäften nichts zu tun hatte. Er musste sich mit all diesen Dr. Nabels nicht abgeben, bestach nur »arme Ostblockler«. Das hatte wenigstens einen sozialen Touch. Während jenes Warschauer Symposiums aber wurde deutlich, dass der clevere Doktor aus Schwaben seine Aktivitäten auch ins Ausland verlegen wollte. Er könne ihm doch, so erklärte er Lenz, mit der einen oder anderen Empfehlung oder wissenschaftlichen Arbeit unterstützend unter die Arme greifen. »Mein Name ist ja nicht ganz unbekannt in der Fachwelt, und um Willgruber & Dietz zu empfehlen, da muss unsereins doch nicht lügen.«
    Er lachte breit. Sie und ich, sollte das heißen, wir wissen doch, wie Geschäfte gemacht werden.
    Ja, Lenz wusste Bescheid, doch waren ihm der Mann und seine Geschäfte so unsympathisch, dass er lieber ohne seine Unterstützung auskommen wollte. Was er ihm aber leider nicht sagen durfte, er war ja nur der Kaufmann, Siegfried Nabel die Koryphäe. So antwortete er nur höflich, er wolle mal überlegen, welche Kliniken dafür die geeignetsten seien. Dr. Nabel nahm das für bare Münze, warb auch weiterhin ganz unverhohlen um Lenz’ Sympathie und bot ihm, um ihm seine Wertschätzung zu zeigen, noch während der üblichen allgemeinen Abfütterung am Eröffnungsabend großzügig das Du an. Was Lenz zu seinem Leidwesen ebenfalls nicht ausschlagen konnte, wollte er nicht seine wahren Gefühle verraten.
    Zwei Tage später, während eines Empfangs durch den Bürgermeister der Stadt, passierte es dann aber doch: Lenz wechselte die Seiten.
    An jenem Abend standen sie im größeren Kreis beieinander, all die Nierenspezialisten, jeder was in der Hand, was den eigenen Nieren guttun sollte. Man scherzte, lachte, eine neue Abfütterung stand bevor. Wer noch fehlte? Dr. Siegfried Nabel. Er kam diesmal etwas später, der Schwaben-Rasputin im Dreiviertelpelz, inszenierte seinen großen Auftritt als Zirkusnummer. In seinem Arm eine grellblonde, billig aufgetakelte Polin, die er in irgendeiner Bar aufgelesen hatte. Eine der vielen Gewerbsmäßigen, die sich in den Hotels der Devisenzahler herumtrieben.
    Lenz erblicken und auf ihn zukommen war eins. »Hallo, Manne! Na, den Geist schon angewärmt?« Und zu seiner großäugigen Begleiterin: »Das ist Manne, ’n echter Berliner. Prima Kerl!« Zu Lenz: »Das ist Grazyna, die Superpuppe aus der Bauchtanztruppe. Wenn du ’n Hunderter in sie reinsteckst, legt sie ’n Ei.«
    Lenz sagte »Guten Abend« und rückte beiseite; Dr. Nabel und seine Superpuppe rückten mit.
    Lenz rückte noch weiter fort, Dr. Nabel blieb dran – bis Lenz sich plötzlich inmitten

Weitere Kostenlose Bücher