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Auf der Sonnenseite - Roman

Auf der Sonnenseite - Roman

Titel: Auf der Sonnenseite - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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es in seiner neuen Heimat Bundesrepublik seit einigen Jahren eine Anzahl jüngerer Leute, die ebenfalls vom Sozialismus träumten. Und diesen Traum gleichsam mit aller Gewalt durchsetzen wollten. »Macht kaputt, was euch kaputt macht«, stand als Motto über den Aktionen jener »Sozialisten«. Sie bekämpften das »Schweinesystem« des Kapitalismus mit Bankraub, Sprengstoffanschlägen, Brandstiftungen, Entführungen und Mord, und nicht wenige empfanden für sie eine offene oder klammheimliche Sympathie. Darunter Hannahs Schwester Fränze und ihr ansonsten so gutmütiger Freund Ralf.
    Eine Sympathie, für die weder Lenz noch Hannah Verständnis aufbringen konnten; Differenzen waren vorprogrammiert.
    Noch von OstBerlin aus hatten sie mitverfolgt, wie alles begann. Als Zaungäste des Westfernsehens. Studenten, die sich als »marxistisch«, »antikapitalistisch« oder »anarchistisch« bezeichneten, waren auf die Straße gegangen, um gegen das westliche Gesellschaftssystem zu demonstrieren. Auch wollten sie völlig neue Lebensformen ausprobieren. Es war das Verschweigen und Verdrängen der Verbrechen, Fehler und Irrtümer der »Auschwitz-Generation«, das sie nicht so einfach hinnehmen wollten; der Wunsch nach umfangreichen Veränderungen trieb sie an. Tabuverletzungen standen auf der Tagesordnung. »Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren«, so eine ihrer Parolen.
    Ihnen gegenüber standen all jene, die sich eingerichtet hatten in dem neuen Staat Bundesrepublik und keinerlei Lust auf frischen Wind verspürten; eine Väter- und Müttergeneration, die nicht nach ihrer Vergangenheit befragt werden wollte und bereits beim Anblick dieser neuen, langhaarigen Jugend das kalte Grausen bekam.
    Für Hannah und Manfred Lenz zu jener Zeit ein sehr fernes Beteiligtsein. Zwar spielte sich vieles von dem, was da an Aufregendem geschah, nur wenige hundert Meter entfernt von ihnen ab – vor dem neu erbauten Hochhaus des Springer-Verlags in der Kochstraße, das, wie vom Herrn des Hauses beabsichtigt, bis weit in den Ostteil der Stadt zu sehen war –, dazwischen aber lag die Mauer. Und damit eine ganze Welt. Dennoch lebten sie mit den etwa Gleichaltrigen im anderen Teil der Stadt mit, überdachten ihre Forderungen und Verhaltensweisen und verteidigten ihren Anspruch auf Kritik. Ohne Kritik an den Herrschenden keine wahre Demokratie. Und wenn da in Bonn eine Große Koalition aus CDU und SPD regierte und es keine wahrhaft parlamentarische Opposition gab, na, dann musste eben eine außerparlamentarische her.
    Wogegen protestierten sie denn, die »aufmüpfigen« Studenten? Neben der eigenen unaufgearbeiteten, unrühmlichen deutschen Vergangenheit war das zuallererst der Vietnamkrieg, und damit lagen sie völlig auf Lenz’ Linie. Dort, im fernen Asien, wurde mit Flächenbombardierungen, Napalm-Bomben und Massakern, denen ganze Dörfer zum Opfer fielen, ein unvorstellbares Grauen angerichtet und nicht, wie behauptet, die westliche Freiheit, sondern allein amerikanisches Einflussgebiet verteidigt. So wie ja auch die Sowjetunion ihre Soldatenstiefel nicht aus den Ländern nahm, in denen ihre Truppen sich festgesetzt hatten. Die »westliche Freiheit« im Sinne von Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit hatte es unter der von den Amerikanern verteidigten Führungsclique Südvietnams nie gegeben. Und den Vietcong, die Befreiungsbewegung des vietnamesischen Volkes, als kommunistische Barbarenherde zu verteufeln, traf nicht den Kern der Sache. So einfach ließ die Welt sich nicht in Gut und Böse einteilen.
    Auch das Anprangern des Springer-Verlags , dessen Presseerzeugnisse so treu zu den kriegsführenden Amerikanern standen wie das Neue Deutschland der DDR zur Sowjetunion, fand seine Sympathie. Zeitungen und Zeitschriften hatten zu informieren und nicht die »Volksmeinung« zu beeinflussen unter dem Vorwand, sie wiederzugeben, und damit eine Lynchstimmung unter ihren Lesern zu erzeugen.
    Jetzt, als Bundesbürger, konnte er den Protest der Studenten Ende der Sechzigerjahre noch besser verstehen, sah er doch, wie die Blätter dieses Verlags dank ihres übergroßen Marktanteiles die gesamte Bundesrepublik dummschwatzten. Trug einer seine abweichende Meinung auf die Straße, weil er sie woanders nicht einbringen konnte, war er für diese Art von Journalisten nichts als ein Gammler, Rowdy, Neurotiker oder Kommunist. Ihr Lieblingsfeind war die sozialliberale Regierung, die die Große Koalition abgelöst hatte. An CDU- oder CSU-Politiker

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