Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Flüssigverbindung wurde früher in Laboren als Vorprobe bei Blutuntersuchungen eingesetzt, denn Blut schäumt auf, sobald es mit Wasserstoffperoxid in Kontakt tritt. Die von mir erwartete Reaktion trat sofort ein. Bei den braunen Flecken handelte es sich also mit einiger Sicherheit um Blut. Natürlich musste es nicht das Blut von Agnes Brendel sein. Die Herkunft sollte in späteren serologischen Untersuchungen geklärt werden. Vielleicht konnte aber auch die Vernehmung von Walter Krabonke die Wahrheit ans Licht bringen. Jedenfalls bestärkte das Resultat des Fleckentests meine Hoffnung, dass wir die richtige Spur verfolgten.
Trotz der Flecken schien Krabonke nahezu pedantisch ordnungsliebend zu sein. Wände und Decken waren anscheinend erst vor kurzem gestrichen worden, auch die Profilholzverkleidung in der Küche wirkte neu. Die Räume waren sehr sauber und penibel aufgeräumt. Als ich Krabonke auf die Verschmutzungen auf dem Bodenbelag ansprach, reagierte er gelassen. Antwortete auch mir ruhig, dass es Beize sei. Sie sei beim Streichen von Hölzern auf den Boden getropft, als er sie für seine Hausbar vorbereitet habe. Den Teppich habe er liegen gelassen, um ihn noch vor seinem Geburtstag in wenigen Tagen zu erneuern. Dann sei die Renovierung abgeschlossen. Voller Stolz zeigte er mir sein letztes Werk: sein »Weinstübchen« – eine Bar aus Holz. Ganz offensichtlich ein Bausatz aus einem Baumarkt, den er zusammengeschraubt und zusätzlich mit gebeiztem Profilholz verkleidet sowie mit einem Reetdach versehen hatte.
Auf meine Frage, ob er wirklich keinen Kellerraum hätte, gab Krabonke ohne Zögern zu, dass er meine Kollegen bei seiner ersten Überprüfung belogen hatte. Der Raum sei unaufgeräumt gewesen, deswegen habe er sich geschämt. Er könne Unordnung nicht ertragen. Dann ließ er uns in seinen Keller schauen. Ein fast leerer Raum, in dem außer seinem Fahrrad mit einem platten Reifen nur ein paar gestapelte Kartons standen. Auch hier meinte ich auf dem dunklen Boden Flecken zu erkennen, bei denen es sich ebenfalls um Blut handeln konnte. Hatte Walter Krabonke hier Agnes Brendel verstümmelt? Konnte er mit dem Rad trotz des platten Reifens den Torso transportiert haben? Und wann wollte Krabonke seinen Keller aufgeräumt haben? Den leeren Raum hätte er meinen Kollegen doch zeigen können. Aber mit diesen Gedanken konfrontierte ich Walter Krabonke jetzt noch nicht. Stattdessen erklärte ich ihm, dass wir ihn wegen seines Kontakts mit Agnes Brendel noch einmal ausführlich sprechen müssten. Er war sofort einverstanden, uns zu begleiten. Ich belehrte ihn über seine Rechte als Zeuge und wies ihn darauf hin, dass er sich bei einer Aussage nicht selbst zu belasten brauchte. Als ich Walter Krabonke fragte, ob er mit der Durchsuchung seiner Wohnung während der Vernehmung einverstanden sei, willigte er ebenfalls ein: »Na klar, aber bringen Sie bitte nicht zu viel durcheinander.« Ohne seine Zustimmung hätte ich einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung über die Staatsanwaltschaft beim Gericht beantragen müssen. Das hätte länger gedauert und mir die Chance verbaut, Resultate der Durchsuchung gegebenenfalls in die Vernehmung einfließen zu lassen.
Für die Befragung hatte ich das Vernehmungszimmer gewählt, um in den nächsten Stunden ungestört zu sein. Der Raum war sehr klein. Nur etwa drei mal vier Meter groß und schallisoliert. Vergilbte Wände zeugten von vielen ähnlichen Situationen, bei denen Verdächtige über viele Stunden und noch mehr gerauchte Zigaretten vernommen worden waren. Spartanische Einrichtung: drei Schreibtische, drei Stühle, eine Schreibmaschine und an der Wand ein Stillleben mit Sonnenblumen. Ein Zimmer mit wenig Ablenkung, das aber nichts Einschüchterndes hatte.
Eine karge, störungsfreie Umgebung zwingt einen förmlich dazu, sich aufeinander zu konzentrieren, und auch die zu vernehmende Person erhält die Chance, zur Ruhe zu kommen. Ein alter Vernehmungsgrundsatz besagt: Die wichtigste Voraussetzung für ein mögliches Geständnis ist die Atmosphäre bei der Vernehmung. Der mutmaßliche Täter soll sich und sein Motiv verstanden wissen. In diesem Fall war besonders wichtig, dass Walter Krabonke gesprächsbereit blieb. Ich traute ihm zwar durchaus zu, die Tat begangen zu haben, sah ihn aber bisher nicht als Beschuldigten. Deshalb kam es nicht in Frage, Walter Krabonke »in die Mangel zu nehmen«, wie es so gern in Krimis heißt. Er sollte weiter von seinem Zusammentreffen
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