Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
Verhältnis zu seiner Mutter und zur Großmutter sehr gut war, verstand er sich mit seinem strengen Vater schlecht.
Nach achtjähriger Volksschulzeit begann er eine Lehre als Maler und Anstreicher, die er mit der Gesellenprüfung abschloss. Mit Mitte zwanzig heiratete er, vier Jahre später wurde seine Tochter geboren. Krabonkes Ehe währte nicht lange. Ein Jahr nach der Geburt des Kindes trennte sich seine Frau von ihm und ließ sich wegen seiner Alkoholexzesse scheiden. Neben einer Anstellung in einem Malereibetrieb arbeitete Krabonke seit Anfang der Siebzigerjahre an Wochenenden und während seines Urlaubs als Wachmann. Die Referenzen, die ich bei seinen Chefs einholte, waren ausschließlich positiv: korrekt, höflich, pünktlich und akkurat gekleidet. Stets zuverlässig und immer bereit, auch an Feiertagen Dienste zu übernehmen. Deshalb wurde Walter Krabonke auch in Bereichen mit Publikumsverkehr eingesetzt und durfte bei besonderen Aufgaben eine Dienstpistole tragen. Über sein Privatleben war in den Unternehmen nicht viel bekannt. Nur, dass er wegen Unterhaltsverpflichtungen ständig in finanziellen Engpässen steckte.
Doch es gab noch mehr: Schon zweimal hatte Walter Krabonke wegen Trunkenheit am Steuer den Führerschein verloren, und aktuell war kein Auto auf seinen Namen zugelassen. Eine frühere Freundin hatte eine Anzeige gegen ihn erstattet, weil er laut ihrer Aussage nachts in ihre Wohnung eingedrungen war und sich im Vollrausch nackt zu ihr und ihrem neuen Freund ins Bett gelegt hatte.
Der Profilvergleich bestätigte, dass Krabonke als Täter in Frage kam: Er lebte allein, betrank sich oft in Kneipen und hatte Kontakt zum Mordopfer gehabt. Also befragte ich den Imbissinhaber erneut. Harry Stölzel erzählte, dass Agnes Brendel bei ihm im Imbiss gerne Wein getrunken habe. Walter Krabonke beschrieb er als jemanden, der »so ziemlich jede nahm, die er kriegen konnte. Die meisten von den Frauen sind total blau gewesen und, ich sag mal, auch sonst unterste Schublade. Und hinterher erzählt er denn haarklein, was zu Hause bei ihm alles so abgegangen ist.« Schon am Tag vor der Begegnung mit Agnes Brendel habe Walter Krabonke eine sinnlos betrunkene Frau abgeschleppt. Das alles bestätigte bereits meine Zweifel am Wahrheitsgehalt von Krabonkes Aussage. Und dann sagte Stölzel noch: »Zugedröhnt« könne Krabonke gegenüber Frauen aggressiv und sexuell übergriffig werden.
Siebzehn Tage nach dem Fund des Torsos klingelten ein Kollege und ich morgens gegen 6.30 Uhr an Walter Krabonkes Wohnungstür, um ihn ein zweites Mal zu überprüfen. Er wohnte in der Nähe des Tatortes in einem Mehrfamilienhaus. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Krabonke öffnete. Ich war auf sein Aussehen gespannt gewesen. Vor mir stand ein stattlicher Mann: 180 cm groß, kräftige Statur mit Bauchansatz. Dazu Fassonschnitt: die Haare kurz geschnitten und im Nacken und an den Seiten ausrasiert. Krabonke war bereits für die Arbeit angezogen. Unter seiner braunen Lederjacke trug er ein frisch gebügeltes helles Hemd und dazu eine braune Stoffhose mit exakter Bügelfalte.
An diesem Morgen wirkte Walter Krabonke unsicher und fragte mich, was wir wollten. Gleichzeitig erklärte er, er hätte keine Zeit, er müsse zur Arbeit, wo eine wichtige Terminsache auf ihn warte. Als ich ihn damit konfrontierte, dass es wegen seines Treffens mit Agnes Brendel noch einige Fragen gebe, schien Krabonke erleichtert zu sein. Die Anspannung wich sichtbar aus seinem Körper. Unaufgefordert zeigte er mir ein Schreiben eines Gerichtsvollziehers, der sich für diesen Morgen zum Pfänden wegen nicht gezahlter Unterhaltsleistungen angekündigt hatte: Die Forderungen beliefen sich auf fast 3000 Mark. Aus diesem Grunde habe er auch nicht die Tür geöffnet. Krabonke verband diese Erklärung mit wütenden Tiraden über seine Exfrau: »Die will mich fertigmachen, geldmäßig.« Walter Krabonke schien auf einmal alles recht zu sein: Er war sogar damit einverstanden, dass wir uns in seiner kleinen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung ausführlich umsahen.
Die rotbraunen Flecken auf den Teppichböden in Flur und Schlafzimmer waren noch immer da, zudem entdeckte ich eine größere, anscheinend frisch gereinigte Stelle. Ich bat meinen Kollegen, sich von Walter Krabonke das Wohnzimmer zeigen zu lassen. So konnte ich die Flecken prüfen, ohne dass der Befragte etwas davon mitbekam. Für den Fleckentest hatte ich mir ein Fläschchen mit Wasserstoffperoxid eingesteckt. Diese
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