Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
klingelte, und ein Kollege meldete sich. »Die Blutflecken im Keller sind identisch mit der Blutgruppe des Opfers – beide Male A.« Das hieß zunächst nur, dass das im Keller gefundene Blut derselben Blutgruppe angehörte wie das von Agnes Brendel und denselben Gamma-Globulin-Marker hatte wie sie. So erfreulich das Ergebnis auch war, ich musste jedoch berücksichtigen, dass diese Merkmalskombination auch auf viele andere Menschen zutrifft. So weisen in Deutschland knapp über 40 Prozent der Bevölkerung die Blutgruppe A auf. Bei dem festgestellten Gm-Marker verhält es sich ähnlich. Aber wie wahrscheinlich war die theoretische Überlegung, dass eine andere Person mit identischen Blutmerkmalen im Keller von Walter Krabonke stark geblutet hatte?
Ich konnte getrost davon ausgehen, dass Walter Krabonke der Mörder von Agnes Brendel war. Auf der anderen Seite gab diese Feststellung Anlass für weitere Fragen. Was bedeutete dieser Nachweis für die Todeszeitbestimmung? Die sagte ja aus, dass Agnes Brendel aller Wahrscheinlichkeit nach am Nachmittag des 1. Januar getötet worden war – also drei Tage nach ihrer Begegnung mit Walter Krabonke. Und was war von den Aussagen von Egon Finck und den zahlreichen Zeugen zu halten, die sich sicher waren, Agnes Brendel nach dem Verlassen von Harry Stölzels Imbiss noch gesehen oder mit ihr getrunken zu haben? War Agnes Brendel bei Walter Krabonke geblieben, oder war sie etwa noch einmal in seine Wohnung zurückgekehrt? Und wann hatte er sie getötet? Die Vernehmung war also noch lange nicht zu Ende, aber die Ausgangslage hatte sich jetzt zu unserem Vorteil verändert. Wir konnten jetzt bei unseren Fragen und Vorhaltungen energischer vorgehen.
Ich ging zurück in den Vernehmungsraum, setzte mich wieder neben Walter Krabonke und sagte ihm, dass es schlecht um ihn stünde und er wegen des dringenden Tatverdachts vorläufig festgenommen war. Ich berichtete ihm von den gefundenen Blutspuren und dem serologischen Untersuchungsergebnis. Aus dem Zeugen war der Beschuldigte Walter Krabonke geworden. Deshalb musste ich mich erkundigen, ob er weiter aussagen, schweigen oder jetzt doch einen Anwalt sprechen wollte. Er sah mich fragend an, als wunderte er sich, dass ich ihm schon wieder mit dem Anwalt kam, und verzichtete auch dieses Mal auf sein Recht. Ich war erleichtert, denn ein Anwalt hätte ihm garantiert geraten, bis auf weiteres die Aussage zu verweigern. Stattdessen durften wir weiter unsere Fragen stellen.
Was sofort auffiel: Seine Ruhe und seine scheinbare Ausgeglichenheit waren endgültig dahin. Er stammelte nervös ein paar Sätze, im nächsten Moment verfiel er in minutenlanges Schweigen. Er saß regungslos da, ließ seine Zigarette zwischen seinen Fingern verglimmen, um sich sofort eine neue anzustecken. Irgendwann begann er leise und anhaltend zu weinen. Minuten später bat er mich um einen neuen Zettel. »Da darf noch nix drauf stehen. Der muss ganz sauber sein«, erklärte er. Ich nahm ein leeres Blatt vom Schreibtisch und gab es ihm. Eine Weile starrte er das Blatt mit »noch nix drauf« einfach nur an. Mein Kollege und ich hüteten uns, das, was auch immer in Walter Krabonke vorging, zu stören. Wir hielten einfach den Mund und warteten. Auch Schweigen ist manchmal eine Vernehmungstaktik.
Schließlich schien Walter Krabonke einen Entschluss gefasst zu haben. Mit kindlicher und leicht zittriger Schrift schrieb er etwas auf das obere Drittel des Blattes. Dann zerknüllte er es, überlegte einen Moment, glättete dann aber gleich wieder das Papier und schob es zu mir hin. Auf dem Blatt stand:
Ich habe diese Frau umgebracht. Die Frau war bei mir oben.
Ich ließ mir meine Erleichterung nicht anmerken, denn jetzt ging es darum, das Geständnis mit Details zu untermauern, damit es vor Gericht Bestand haben konnte. Zwar wussten wir nun, wer der Täter war, aber nicht, wie sich die Tat abgespielt hatte und wie es zu den Verstümmelungen gekommen war. Beides ist für das Urteil und das Strafmaß von großer Bedeutung.
Die Vernehmung war also nicht beendet, aber ich hielt eine Verschnaufpause für angemessen. Ich fragte Walter Krabonke, ob ich ihm erst einmal einen frischen Kaffee holen sollte, damit er sich etwas beruhigen konnte. Wortlos nickte er mir zu. Ich verließ den Vernehmungsraum, informierte meine wartenden Kollegen und holte den Kaffee.
Nach dem Geständnis wirkte Walter Krabonke wie befreit. Bereitwillig schilderte er detailliert, wie es zu der Tat gekommen war.
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