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Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet

Titel: Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Petermann
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sie mit dem betrunkenen Mann nicht haben. In höchster Erregung greift sie nach einer auf dem Tisch stehenden Weinflasche und schlägt sie dem Angreifer mehrmals auf den Kopf, bis das Glas zersplittert. Der Mann bricht zusammen, versucht aufzustehen und sich an ihr hochzuziehen. Doch sie hastet in die Küche, nimmt das Geschirrtuch und drosselt den von Alkohol und seiner Kopfverletzung benommenen Horst Tafel so lange, bis er sich nicht mehr regt. Dagmar Menzel bleibt am Tatort, durcheinander und wie gelähmt. Nach mehreren Stunden unschlüssigen Wartens nimmt sie ihren Mut zusammen, greift zum Telefon und ruft bei der Polizei an.
    Als sie Stunden später mir gegenübersaß, wirkte sie immer noch verwirrt und erschüttert, hatte sich aber so weit beruhigt, dass sie einigermaßen zusammenhängend von den letzten Monaten erzählen konnte. Nur durch kurze Nachfragen meinerseits unterbrochen, berichtete sie schüchtern von einer monatelangen Zwangsbeziehung und schilderte Details von sexuellen Exzessen – vaginal eingeführte Gegenstände, Analverkehr, Aufforderung zum Posing –, denen sie sich nie hatte entziehen können, teils aus Angst um ihre Stelle, teils aus ihrer Unfähigkeit, ihren Widerwillen zu formulieren und sich zu behaupten. Trotz dieser Vorgeschichte fühlte sie sich schuldig, wie ihre Worte bewiesen: »Ich war böse drauf.« Ich hatte keinen Anlass, an ihren Worten zu zweifeln. Nicht nur, dass die infantile junge Frau ganz ernsthaft auf den Namen ihrer Mutter schwor, die Wahrheit zu sagen. Entscheidend war: Es gab keinerlei Hinweise auf eine andere Wahrheit, aber mehrere Aussagen von Bekannten, die die Charakterisierung des Toten als gewalttätig, »Säufer« und »Hurenbock« bekräftigten.
    Dagmar Menzel wurde wegen Totschlags zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und nach verbüßten dreieinhalb Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Das entspricht der gängigen Zwei-Drittel-Regelung bei guter Führung.
    Obwohl ich nur wenige Fälle sogenannter Tyrannen morde bearbeitet habe, kann ich sagen, dass alle Täterinnen eines gemeinsam hatten: Alle lebten in einer Gewaltbeziehung und töteten den Partner in tiefster Verzweiflung – indem sie ihn in einer wehrlosen Situation, zum Beispiel im Schlaf, erschlugen oder erschossen. Der Grund für diese Tötungsart liegt auf der Hand: Nur auf diese Weise haben sie bei ihrer körperlichen und nach all der Erniedrigung auch psychischen Unterlegenheit eine Chance. Allerdings birgt diese Art des Tötens für die Frauen ein großes Risiko in der folgenden Bestrafung – viele Gerichte bewerten ein solches Verhalten als heimtückisch und neigen zu einer Verurteilung wegen Mordes.
    Auch Cora Walden behauptete, sich von einem Tyrannen befreit zu haben, als sie ihren langjährigen Freund mit zweiundzwanzig Stichen in den Hals und die Brust tötete. Ob ihre Behauptung stimmte, ließ sich nie zweifelsfrei klären. Dennoch lieferten meine Ermittlungen ein deutlicheres und letztlich anderes Bild von der Vorgeschichte als Cora Waldens Erzählungen:
    Die erste Begegnung von Cora Walden und Rolf Erler in einer Bahnhofsgaststätte beginnt, wie sie später endet: mit Gewalt. Cora Walden kommt zu vorgerückter Stunde von ihrer Arbeit aus einem Bordell und angetrunken in die Kneipe und nimmt am Tresen neben Rolf Erler und seiner Freundin Platz. Es dauert nicht lange, bis der Mann mit Cora Walden zu flirten beginnt und ihr – sehr zum Missfallen seiner Begleiterin – auch noch ein Getränk spendiert. Schnell geraten die beiden Frauen in einen lautstarken Streit, beschimpfen einander und drohen sich gegenseitig Schläge an. Als »das Gezeter« nicht enden will, wird es Cora Walden zu bunt. Sie packt ihre Kontrahentin kurz entschlossen an den Haaren, schüttelt sie kräftig durch und verspricht, ihr die Augen auszukratzen, wenn sie nicht sofort verschwindet.
    Die Frau muss instinktiv begriffen haben, dass es sich nicht um eine leere Drohung handelt, denn mit ihren gut fünfzig Jahren beherrscht Cora Walden den »Überlebenskampf auf der Straße« perfekt. In Süddeutschland geboren, blickt sie auf eine trostlose Kindheit zurück: unehelich geboren, zahlreiche Männerbekanntschaften der Mutter mit wechselnden »Stiefvätern«, Alkoholmissbrauch der Eltern. Wegen ihrer unterdurchschnittlichen Intelligenz kommt sie auf die Sonderschule, wo sie schlecht lernt und früh beginnt, Alkohol zu trinken. Allerdings begreift Cora Walden offenbar rasch, wie sie ihre intellektuellen Schwächen

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