Auf Der Spur Des Boesen - Ein Profiler berichtet
kompensieren kann und dass Gewalt ein probates Mittel der Selbstbehauptung ist. Klassenkameraden, die sie bedrängen, kratzt und beißt sie und verschafft sich so Respekt. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter bleibt sie bei dem gerade aktuellen »Stiefvater« wohnen, der schnell wieder heiratet. Mit dessen neuer Lebensgefährtin versteht sich Cora Walden nicht. Als auch der »Stiefvater«, ihre einzige Bezugsperson, wenige Jahre später verstirbt – sie ist gerade fünfzehn Jahre alt –, »setzte meine Stiefmutter mich kurzerhand auf die Straße«. Das Mädchen, beinahe noch ein Kind, schlägt sich nach Hamburg durch und beginnt dort auf dem Kiez in Bars und billigen Absteigen anzuschaffen, gleichzeitig nimmt sein Alkoholkonsum beständig zu.
In den nächsten Jahren setzt sie ihr unstetes und trauriges Leben mit häufigen Männerbekanntschaften und neuen Anstellungen in Bordellen fort. Einen tragischen Höhepunkt erreicht ihr Leben nach einer durchzechten Bordellnacht in einer Großstadt im deutschsprachigen Ausland. Bei einer Spritztour mit fünf Männern verliert sie die Gewalt über den Wagen und fährt frontal gegen einen Baum: Die fünf Männer sterben noch am Unfallort, Cora Walden hingegen wird mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert und monatelang behandelt. Noch in der Klinik wird sie wegen fahrlässiger Tötung verhaftet, sitzt mehrere Monate in Untersuchungshaft und wird ohne Gerichtsverhandlung nach Deutschland abgeschoben. Die Zeit im Untersuchungsgefängnis ist für die inzwischen Sechsundzwanzigjährige eine sehr prägende Erfahrung: »Wenn sich im Knast nicht welche von den Frauen da so um mich gekümmert hätten, wär ich da vor die Hunde gegangen. Jeden Tag musste ich gucken, wie ich mich vor den anderen Frauen schütze und überlebe.«
Zurück in Deutschland sucht sie sofort wieder ihre gewohnten Orte auf: Bordelle, Kneipen, Appartements. Sie begeht kleinere Straftaten wie Beleidigungen und Körperverletzungen in Bars. Zudem »zockt« sie manche ihrer Freier ab, indem sie nach dem Abkassieren versprochene Leistungen gezielt verweigert, bei anderen bedient sie sich heimlich an deren Geldbörse. So landet sie abermals im Gefängnis und kehrt nach einem Urlaub nicht in die Anstalt zurück. In den nächsten Jahren lebt sie unter verschiedenen falschen Namen, um einer erneuten Verhaftung zu entgehen. 1990 zieht sie nach Bremen, lässt sich zum ersten Mal häuslich nieder und mietet sich sogar eine kleine Wohnung. Ebenfalls zum ersten Mal trennt sie ihr Privatleben von ihrem Beruf: »Endlich hatte ich was für mich. Da wollte ich nicht arbeiten.«
Kurze Zeit nach dem Streit mit Rolf Erlers Freundin hatte auch Cora Walden die Gaststätte verlassen, vorher gab sie ihre Telefonnummer dem Wirt – er sollte sie dem Mann beim nächsten Besuch zustecken. In einer von mehreren Vernehmungen beschrieb sie mir später auf charakteristische Weise ihre damaligen Gefühle: »Mir hat der Typ gefallen. Hat mit seiner Schlampe wegen mir Streit angefangen. Den wollte ich kennenlernen!« Wenige Tage später besucht Rolf Erler sie in ihrer Wohnung und zieht kurz entschlossen bei ihr ein. Mit dem fünfzehn Jahre jüngeren und ihr körperlich über-, geistig aber eher unterlegenen Mann lebt Cora Walden bis zur Tat fast vier Jahre zusammen. In ihren Erzählungen über die Beziehung sagte sie unter anderem: »Über meinen Beruf habe ich ihn nie im Unklaren gelassen. Ich wollte die Beziehung nicht mit einer Lüge anfangen.«
Dieses Mal scheint Cora Walden tatsächlich eine Nische für ihr »kleines Glück« gefunden zu haben. Doch ihr Beruf und nahezu tägliche Alkoholexzesse sind keine gute Basis und zerstörten nach und nach die von ihr zunächst als harmonisch empfundene Beziehung. Und noch etwas »nervt« Cora Walden an Rolf Erler: Er ist eifersüchtig auf ihre Freier, mag es nicht, wenn sie mit Männern spricht, und beginnt sie deswegen zu schlagen. Insgesamt sieben Mal erstattet Cora Walden in den kommenden Monaten gegen ihn Anzeige, doch jedes Mal nimmt sie die Vorwürfe später zurück: »Er hat mich damit erpresst, dass er das mit den falschen Namen weiß. Immer wieder wollte ich ihn rausschmeißen, doch er hat nur geantwortet: ›Du wirst mich nicht los. Wann du mich verlässt, das entscheide ich.‹«
Trotz dieser Eifersuchtsszenen bietet Cora Walden weiterhin wochentags von zehn bis zwanzig Uhr ihren Körper an und ärgert sich über die nach ihrer Meinung ungerechtfertigten Vorwürfe ihres
Weitere Kostenlose Bücher