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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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denn zusammen mit einem Narren war ich ja angekommen, mit dir, und dass sie dich so schnell erhöhen, kam mir denn doch seltsam vor, du warst ja kaum durchs Burgtor. In der Nacht habe ich dann versucht herauszufinden, wer die beiden gewesen sein könnten, und dabei haben sie mich erwischt.«
    »Also geht es dir nicht anders als mir. Ich glaube, der Einzige, der mich hier noch retten kann, ist Tayn. Wenn er in die Burg käme, und möglichst nicht allein … Aber hör – da kommt wer.«
    Die Tür wurde geöffnet, zwei Soldaten traten ein, draußen, wo es schon hell wurde, standen ihrer mehr. Einer der beiden ließ kurz den Blick über die Gefangenen schweifen, wies dann auf den Dieb und sagte: »Du da! Du kommst als erster dran.«
    Der Dieb stand langsam auf. »Was geschieht mit mir?«
    »Was soll mit einem Dieb schon geschehen? Wenn sie uns Diebe von draußen bringen, kann das Urteil so oder so ausfallen. Wer aber hier in der Burg stiehlt, noch dazu von Gehenkten … Los jetzt!«
    Ein weiterer Soldat kam in den Kerker, sie packten den Dieb und zerrten ihn geschäftsmäßig, ohne Federlesens, aber auch ohne unnötige Grobheit hinaus. Der Narr sah schweigend zu, der Dieb aber, schon an der Tür, begann sich zu sträuben und verlangte: »Wartet! Ich habe nichts gestohlen! Der Graf von Tayn hat mich geschickt. Ich muss mit dem Fürsten reden! Ich habe ihm etwas Wichtiges zu sagen. Er soll ermordet werden! Ich weiß auch, wer der hier ist. Bringt mich vor den Fürsten! Den Wiedergänger hier hat er schließlich auch gesehen!«
    »Gut. Ich will den Vogt fragen, ob der Fürst dich sehen soll. Falls er schon auf ist. Aber glaub nicht, dass es dir nützen wird. Den da hat er gesehen, und er soll neben dir hängen. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht lässt der Fürst dir vorher noch alle Knochen brechen, wenn er hört, dass der gottlose Tayn dich geschickt hat.« Und sie zerrten ihn hinaus.
    Als er wieder allein im Kerker war, schaute der Narr noch immer wie benommen auf die verschlossene Tür, keines Wortes fähig, keiner Regung und keines Gedankens. Nach einer Weile schoss ihm ein Einfall durch den Kopf und ergriff sogleich vollends von ihm Besitz, so abwegig er auch war; so brauchte er nicht an den Tod zu denken. Er griff nach dem leeren Krug, stellte ihn neben sich und nahm wieder das Stück trockenes Brot hervor. Diesmal hielt er den ganzen Kanten hin, und als die Ratte – er konnte nicht unterscheiden, ob es dieselbe war – danach schnappte, packte er sie mit einer blitzschnellen Bewegung und stopfte sie Kopf voran in den engen Krug, das Brot wie einen Deckel hinterher. Dann stand er auf, wickelte den Krug in seine Kappe, band die Zipfel zusammen und zog sie mitsamt den Schellen unterm Gürtel hindurch, ein Geschenk für die Henkersknechte, eines Narren würdig. Dann strich er sein Wams glatt und blieb stehen, bis sie ihn holen kamen.
    Als er unterm Galgen stand, wo der Dieb schon hing, tot, konnte er in den Hof der Vorburg hinabsehen, von wo ein paar Gaffer – erstaunlich wenige, schien ihm – heraufblickten. Sie kamen ihm allesamt ganz fremd vor, er erkannte keinen. Wie er dastand in seinem bunten Kleid und sie ihm die Schlinge um den Hals legten, rief er: »Ihr Narren allesamt, das ganze Leben hier ist doch nichts als ein Witz!« Und dann, in dem winzigen Augenblick, als er fiel und ehe sein Genick brach, erblickte er oben auf dem Wachturm sich selbst, den Fürsten, der mit wehendem Haar unbewegt zu ihm herabschaute, und es schien ihm, als stünde zwei, drei Schritte daneben derselbe, und ein dritter, und noch einer, den ganzen Wachturm entlang.
     
    Copyright © 2001 by Erik Simon
    Originalveröffentlichung
    Mit freundlicher Genehmigung des Autors

 
DIRK STRASSER
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Australien
     
Der Vigilant
     
    Anton holte tief Atem und rollte den Schlüssel, den er an einer Kette um den Hals trug, zwischen Daumen und Zeigefinger. Instinktiv spähten seine Augen nach unheilverkündenden Vorzeichen aus, als er aus der Tür in die nächtliche Straßenlandschaft hinaus trat.
    Die Abfalltonnen für den Wohnblock waren in Form eines umgekehrten V angeordnet. Eine Täuschung. Kein gutes Zeichen. Man konnte jedoch nie sicher sein. Ein Vorzeichen war für sich allein bedeutungslos. Nur wenn sie geballt kamen, waren sie wichtig. Anton stieg über den auf der Straße liegenden Abfall hinweg und roch den Gestank von abgestandenem Urin und Bier, der auf ewig die Wände und Rinnsale zu durchdringen schien.
    Sasha stand wieder an

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