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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Cafes. Stand ein Bruch bevor? Er hoffte nicht. Irgendwie fühlte er, dass es ihm heute Nacht an der Kraft fehlte, damit fertig zu werden.
    Er beobachtete das Pärchen noch eine Weile länger, während er die Fitzroy Street überquerte. Der Schlüssel an der Kette um seinen Hals schien schwer zu wiegen. Er wusste, er durfte niemals jemanden zu lang anstarren. Ein Wächter zu sein, war nicht leicht. Man musste beobachten, ohne selbst die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er stand bei der Haltestelle in der Mitte der Straße und tat so, als warte er auf die Straßenbahn. Als er über die Schulter zurückblickte, konnte er erkennen, dass sich der Mann über die Frau beugte und mit ihr sprach. Die Ausstrahlungen waren dumpfer geworden. Trotz seiner natürlichen Vorsicht stieß Anton einen Seufzer der Erleichterung aus. Vielleicht ließ sich ein Bruch trotz allem vermeiden.
    Er wusste, dass sich der Schaden, der dem Gefüge angetan wurde, nie völlig rückgängig machen ließ, aber er hoffte, es würde jetzt eine weitere Nacht halten. Eine rascher Rundblick nach anderen Schwachstellen. Eine barfüßige Frau stand an die Ecke eines Gebäudes gelehnt. Die Ausstrahlung von Süchtigen war nicht sehr intensiv. Der Schaden, den sie anrichteten, war ein langsames, trübes Tropfen im Verlauf einer langen Zeitspanne, mit dem Herausbluten des Rots aus ihnen. Ein einzelner Süchtiger konnte für sich allein keinen Bruch verursachen, aber im Lauf der Zeit dehnte ihre abgestumpfte Psyche das Gefüge bis zum letzten.
    Einen kurzen Augenblick lang stellte die Süchtige mit ihren toten Augen Kontakt her. Anton hasste es, wenn das geschah. Es fühlte sich immer an, als ob ein bisschen seiner eigenen Entschlossenheit hinter diesen Augen starb. Dann erinnerte er sich daran, dass er kein Gefühl des Hasses empfinden sollte. Es war zu menschlich und lenkte zu sehr ab.
    Als es einen kurzen Augenblick hinter den Augen totenstill war, entging ihm fast die Flamme, die im Augenwinkel aufloderte.
    Verdammt, dachte er. Schon wieder dieses Pärchen. Er wusste, dass die Vorzeichen schlecht waren, und dennoch hatte er beinahe in seiner Wachsamkeit versagt. Der Mann redete nun heftig auf die Frau ein. Sie hatte ihn irgendwie aufgestachelt. Hatte bewusst einen Nerv getroffen. Hatte etwas an die Oberfläche geholt, das hätte verborgen bleiben sollen. Und er schoss jetzt mit Gift und Galle zurück.
    Die Luft um sie herum glühte, der karmesinrote Fleck kündete einen unmittelbar bevorstehenden Bruch an, wie Anton sehr wohl wusste.
    Er spannte seine Aufmerksamkeit an, als sich die Wunde in der schwülen Nachtluft öffnete. Ein Reißgeräusch wie das Zerreißen von Muskeln und Sehnen durchschoss sein Bewusstsein. Wie ist es möglich, dass sie es nicht hören? dachte er. Ihre Welt wird auseinandergerissen, und sie hören es nie.
    Ein Windstoß heulte aus dem Loch über dem Tisch des Cafes, die Stühle des Paares wurden zurückgeschleudert und die beiden stürzten mit ihnen zu Boden.
    Aber im Gegensatz zu einem natürlichen Wind nahm er Gestalt an, als er sich durch die Straßenlandschaft wand. Anton wusste, dass er bis jetzt Glück gehabt hatte. Nur ein Rummel war ausgebrochen. Ein Rummel konnte, wenn er nicht gezügelt wurde, eine Menge Schaden anrichten, aber er wusste, dass die wirkliche Gefahr in den weiteren lag, die folgen würden.
    Der Rummel nahm rasch menschliche Form an – Rummel konnten sich die Art der Verwandlung nicht aussuchen. Er hatte sich orientiert und rannte auf den Bruch zu.
    Anton wusste, dass er rasch reagieren musste. Er sprang über das Geländer der Straßenbahnhaltestelle und lief dorthin, wo das Pärchen benommen auf dem Boden lag. Der Rummel hatte den umgestürzten Café-Tisch aufgestellt und stieg auf ihn, um an die Wunde zu gelangen.
    Verdammt, dachte Anton, kurz nach einem Ausbruch waren sie selten so schnell. Er sprang mit den Füßen voran auf den Tisch und stieß den Rummel zu Boden.
    Der Rummel fauchte ihn an, als er sich wieder aufgerappelt hatte. Anton blickte zur Wunde hinauf und sah zu seinem Entsetzen, dass eine Hand durchkam. Was war hier los? Wie konnte etwas auf der anderen Seite schon voll ausgebildet sein?
    Der Rummel ging blitzschnell auf ihn los, und er schaffte es gerade noch, rechtzeitig zur Seite zu treten. Verlor er seine Fähigkeit? Dem Rummel hätte es nie gelingen sollen, ihm so nahe zu kommen. Er beugte sich nach hinten in eine Verteidigungsstellung. Verlier nicht den klaren Kopf. Der Instinkt war da

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