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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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werden könnte«, erwiderte der Narr, »aber was verschafft mir die Ehre, dir hier wiederzubegegnen?«
    »Nun, ich bin ein Dieb. Ich habe gestohlen. Ich bin gekommen, um zu stehlen. Und wenn ich just kein Dieb wäre – was geschieht wohl mit Leuten, die in diese Burg kommen und nicht dazugehören? Seit Wochen hat niemand sie verlassen.«
    »Frauen lassen sie herein und hinaus, Knechte, alles, was barfuß geht oder in Bastschuhen, also alles, was nicht weiter zählt. Mit deinen Stiefeln musstest du Verdacht erregen, wenngleich deine Zehen aller Welt guten Tag sagen – oha, welches Wunder hat denn die verjüngt? Einen ordentlichen Schuster hatten sie auf der Burg doch auch nicht, wenn ich’s recht bedenke; ich hätt als Schuster kommen können, wenn ich davon nur halb so viel verstünd wie von der Kunst, sich zum Narren zu machen.«
    »Ach, und du gehörst in dieser Burg dazu? Auf dem Weg hierher hast du mir gesagt, dass du dich hier als Narr verdingen willst. Womöglich bist du keiner? Oder etwa ein so schlechter, dass deine Späße dich gleich am ersten Tag in den Kerker gebracht haben?«
    »Freilich bin ich ein Narr wie nur sonst einer, nur ist das für gewöhnlich nicht mein Beruf. Ich denke schon, dass ich hierher gehöre, nur … der Fürst denkt das nicht.«
    »Wer bist du?«
    »Das möchte ich inzwischen selber wissen. Ich habe ein Gutteil meines Lebens auf dieser Burg verbracht, freilich noch nie an diesem feuchten Ort. Obwohl man das meinen könnte – es ist unglaublich, wie zahm die Ratten hier sind. Als ob sie mich kennten. Schau.« Der Narr zog ein Stück Brot aus der Tasche, brach etwas davon ab und hielt es mit ausgestrecktem Arm am Boden von sich. Aus den dunkleren Ecken des Kerkers kamen zwei Ratten, eine schnappte die Brotkrume weg und verschwand ohne übermäßige Eile, die andere blieb abwartend in der Nähe sitzen.
    Der Narr hielt den Rest des Brotes dem Dieb hin. »Willst du? Nein? Na ja, es ist auch schon ganz trocken, und zu trinken ist nichts mehr da.« Er wies bedauernd auf den leeren Krug. Er bekam keine Antwort.
    »Ich habe auch immer dazugehört«, fuhr er fort, »und kann mich nicht erinnern, jemals ohne Leder oder Stoff an den Füßen gegangen zu sein. Ich war eine Zeit lang im Lande unterwegs, und als ich vorgestern zurückkam, begegneten mir zwei Knechte, die starrten mich an, als sähen sie einen Geist. Nach einer Weile hatten sie sich überzeugt, dass ich wirklich ich selbst in Fleisch und Blut bin, aber sie schworen Stein und Bein, sie hätten mich eben erst auf der Burg gesehen, wo sie herkamen und wo ich schon tags zuvor eingetroffen sei. Wenn sie nicht geschickter logen, als ihrem Stande zuzutrauen ist – man muss dafür geboren sein –, dann hatte sich ein Doppelgänger an meiner Statt in die Burg eingeschlichen. Ich wollte das nicht recht glauben, aber dann überlegte ich es mir und ließ mir die Kleider des Narren geben, den ich von der Reise mitgebracht hatte – in der Burg gab es ja keinen, und ich dachte, ein so mächtiger Fürst sollte einen haben, schon um des eigenen Ansehens willen. Die Leute halten Narren für selten, weil sie selber keine sein wollen; so glauben sie nicht, dass ein Narr zu Füßen eines anderen sitzen kann, und der andre erscheint ihnen klüger. Ich scherte mir den Bart und färbte mir mit Tinte die Haare dunkel, und ich dachte, das müsste als Verkleidung genügen – wenn alle auf der Burg glaubten, ich sei schon da, würde keiner auch nur denken können, dass ich eben zum Tor hereinkäme.«
    »Und haben sie dich erkannt?«
    »Sofort. Ich hatte den anderen unterschätzt – er rechnete damit, dass ich verkleidet kommen könnte. Oder er misstraute einfach aus gutem Grunde jedem Fremden, ob ich es nun selbst wäre oder mein Sendling. Man kann ein Narr sein und klug zugleich.«
    »Du vermutest Zauberei?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du sprichst von dir, und du sprichst vom Fürsten. Wer sonst könnte in der Burg befehlen? Warum sagst du nicht geradezu, was ja doch auf der Hand liegt? Bist du der Fürst? Oder ist es jener andere?«
    »Wozu willst du das wissen? Was nützt es dir? Willst du dein Leben erkaufen? Alle hier in der Burg, denen du mich verraten könntest, wissen so viel wie ich, wenn sie nicht mehr wissen. Du sagst es doch selber – hinaus kommt keiner, seit Wochen nicht. Womöglich schon, seitdem ich ausgeritten bin.«
    »Nichts nützt es mir. Und doch wüsste ich gern, ob du der Fürst bist. Oder ob jener andere es ist. Ich habe

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