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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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gar nicht. Es ist die intellektuelle Herausforderung.«
    Er schnitt eine Grimasse und roch an der Blume im Knopfloch. »Aha. Intellektuell.«
    »Die Art und Weise, wie wir die Probleme lösen, an denen die Deutschen sich die Zähne ausgebissen haben – wie man das verdammte Unschärfe-Prinzip umgeht.«
    Sie versuchte, ihm die Fortschritte am Plessey-Labor zu erklären, wo sie Grundlagenforschung auf dem Gebiet des Funk-Transports betrieb. Im Grunde wurde überhaupt keine Materie transportiert, sondern die Information, die zum Beispiel in einem Menschen enthalten war. Funk-Transporter hatte man bisher für utopisch gehalten, weil man Position und Geschwindigkeit eines jeden Teilchens einer Person bestimmen musste. Das hätte eine Verletzung des Unschärfe-Prinzips bedeutet.
    Doch es gab ein Schlupfloch.
    Es war ein echtes Drama gewesen: die Anstrengungen, die Sackgassen, der Wettlauf mit den Amerikanern in den Beil-Labors um den ersten Platz … bis es den Forschern dann gelang, einen Quantenzustand in klassische Information zu zerlegen und wiederherzustellen – durch Messungen, die als Einstein-Podolsky-Rosen-Korrelation bezeichnet wurden und die Möglichkeit eröffneten, klassische Information wie eine Telegraphennachricht durch den Draht zu schicken …
    Das war das Grundprinzip, obwohl der Teufel im Detail der Bandbreite, Umwandlung und Speicherkapazität steckte.
    »Natürlich kann man Quanteninformationen nicht einfach kopieren«, sagte sie. »Man muss das Objekt zerstören, das man per Funk transportieren will. Und das ist nur gut so – stell dir vor, hundert Hitlers suchten den Planeten heim, von denen jeder mit demselben Recht von sich behaupten dürfte, das Original zu sein!«
    Er grunzte und ließ den Blick über Zeichenbretter und Versuchsaufbauten schweifen. »Wenn du mich fragst, hundert Bill Haleys wären schlimmer.«
    Sie wusste, dass er nur mit halbem Ohr zuhörte.
    Nun wurden sie vom Abteilungsleiter aufs Korn genommen, einem kräftigen jungen Mann mit schütterem Haar, der ihnen unbedingt einen Vortrag über die Mustard halten wollte.
    »… Die Mustard ist ein Raumtransporter und Bergungsgerät in Modulbauweise … Wir wissen, dass die Amerikaner nach dem ›Mülleimer-Prinzip‹ verfahren und mit einer praktisch unkontrollierbaren Kapsel arbeiten. Doch der Weg ins All führt über wiederverwendbares Gerät. Wenn wir nur die Unterstützung des Luftfahrtministeriums hätten …«
    Max hörte widerwillig zu. Was war ein Raumschiff denn anderes als ein zusammengedengelter Blecheimer? Und all diese glorreichen Raumschiffprojekte wurden nur aufgelegt, weil man das Potential des Funk-Transports fürchtete und den internationalen Wettlauf um die Einrichtung der ersten Raumstationen im geostationären Orbit gewinnen wollte.
    Inzwischen erfolgte in ihrer Disziplin ein Durchbruch nach dem andern, fast unbeachtet von der Öffentlichkeit und an der Grenze des menschlichen Vorstellungsvermögens! Sie hatte sogar noch ein Schreiben von Eugene Wigner in Princeton in der Brieftasche, in dem er vorschlug, mittels Quantentunnel-Effekten die Lichtgeschwindigkeits-Barriere zu überwinden.
    Wenn Henry doch nur begreifen würde, dass sie praktisch in derselben Mannschaft spielten – und nicht nur das, sie waren aufeinander angewiesen! Doch das Misstrauen gegenüber einer Expertise, über die er selbst nicht verfügte und der Argwohn angesichts ihrer zunehmenden Reputation schienen die Kluft zwischen ihnen nur noch zu vertiefen.
    Im entfernten Woomera näherte der Blue Streak- Countdown sich dem Ende. Zehn, neun, acht … Die beiden stellten sich zusammen mit der Belegschaft von English Electric unter einen Lautsprecher. »Wenn man sich vorstellt«, sagte der Abteilungsleiter, »dass wir den nächsten Start im Fernsehen verfolgen werden, wenn Prospero erst einmal oben ist!«
    Oder, sagte Max sich, man macht einfach einen Schritt nach Australien und verfolgt den Start vor Ort …
    Vielleicht, so sagte sie sich, hätten wir doch Kinder bekommen sollen. Aber wäre ein Kind wirklich die Lösung unserer Probleme gewesen? Wenn ich solche einfachen Fragen mit derselben Leichtigkeit beantworten könnte, mit der ich die Paradoxien der Quantenmechanik auflöse …
    Drei, zwei, eins.

 
    1976: Woomera, Südaustralien
     
    Forbes lag im senkrecht stehenden Cockpit auf dem Rücken, die Beine in der Luft. Er lauschte den Stimmen, die in kultiviertem britischem und kernigem australischem Englisch von der Leitstelle übertragen

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