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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Mode immer voraus, Sapphire. Hast Sie sogar bestimmt. Es ist eine Schande, das alles jetzt aufzugeben.«
    »Hör zu, entschuldige den Anachronismus, aber habe ich es nicht klar gemacht, dass du Blankovollmacht hast, was den Erhalt des Grundstücks angeht. Ich gebe keinen Rattenschiss auf die Vereinbarungen, die ihr und Mark trefft, solange dieses Haus in dreißig Jahren noch immer da ist.« Sie deutete über die Veranda hinaus. »Und ich möchte nicht, dass jemand diese Hügel entwickelt, ehe ich aufwache. Es ist mir egal, wem sie jetzt gehören. Wenn man mich wiederbelebt, so möchte ich exakt auf dieser verdammten Veranda hier erwachen und ich möchte dieselbe verdammte Aussicht haben, verstanden?«
    »Absolut.«
    »Ja, vielleicht tust du es aber nicht. Lies das.« Sapphire warf Anton eine der U-Life-Broschüren zu. »Siehst du, was sie behaupten. Es gibt keinen Grund, warum Deanimation und Reanimation nicht so sein sollten wie wenn man ein kleines Nickerchen machte.« Sie beobachtete ihn, als die schwarze Facette seiner Brille über die Hochglanzbroschüre wanderte, wie eine der Überwachungskameras der Security draußen am Zaun. »Man träumt nicht einmal. Es ist bloß wie eine allmähliche Auflösung. Weißt du, was eine allmähliche Auflösung ist, Anton? Wie in dem Video für …« Sapphires Worte verloren sich. Sie hatte keine Promotion mehr gemacht, seit Anton Bettnässer gewesen war, aber manchmal vergaß sie es.
    »Deanimation«, sagte er amüsiert. »Wenn man es so nennt, erscheint es so allgemein üblich wie Dickdarmirrigation.«
    »Worüber du zweifellos mehr weißt als ich, Liebling. Aber warum sollte man es anders nennen? Aber das ist nicht mehr notwendig, nicht seit 1999.«
    Das war natürlich das Jahr, nach dem sich alles geändert hatte. Die kalifornischen Gesetze waren so novelliert worden, dass es für jeden legal nicht mehr nötig war, tot zu sein, ehe man für das »Auskühlen« vorbereitet wurde. Dieser gesetzliche Winkelzug eliminierte selbst die Notwendigkeit, das »t«-Wort in dem Publicity-Material von Ultralife zu erwähnen. Im Jahr 1999 fanden mehr als tausend Deanimationen statt; genügend Umsatz, um 20 Firmenklone von U-Life über Wasser zu halten. Um 2003 – als Tausende von den Reichsten und Mittelreichen des Bundesstaates jährlich diesen Weg gingen – führte die LA Times sogar eine Beilage mit Kryo-Nachrufen ein. Sapphire hatte aber nicht auf diese Massenflucht gewartet, sie hatte vier Jahre zuvor dafür einen Vertrag abgeschlossen – eine der ersten zehntausend, die es taten. Nun war nicht das geringste Abenteuerliche daran. Politiker taten es. Selbst ein paar plastische Chirurgen, die ihr namentlich bekannt waren, und einige Schauspieler, die seit den achtziger Jahren nicht einmal einen Platz in einer Pilotsendung ergattert hatten. Letzten Monat war da dieser Hotelbar-Pianist mit dem komischen Plattenvertrag gewesen, seine Abschieds-Ankündigung war auf dem Gebäude des U-Life-Gebäudes angeschlagen gewesen. Sie hatte ihm die Show gestohlen, ihr erstes öffentliches Auftreten seit zwei Jahren. Der Schlappschwanz von Pianist weinte in sein Pina-Colada und fragte sich, ob er sich in die falsche Party hineingedrängt hatte. Die Wahrheit sah so aus, dass Sapphire, wenn sie sich nicht bereits darauf eingelassen hätte, jetzt bezweifeln würde, ob sie die Deanimation auch nur in Betracht ziehen würde. Bei weitem nicht originell genug.
    Es war aber, wie man so sagt, zu spät, um es jetzt noch aufzuhalten.
    Sie schob ihre Sonnenbrille tiefer auf die Nase und wartete, bis sie das dumpfe Dröhnen des ankommenden U-Life-Hubschraubers hörte, der sicher über den deaktivierten Kordon der Stinger-Raketen schwebte, über dem geschorenen Rasen und der Bougainvillaea.
     
    Muller sah zu, wie Geschöpfe aus dem wachsenden Schatten des Flugzeugs wegeilten, erstarrt in dem flackernden Licht der rotgrünen Ellipsen, die von den Scheinwerfern geworfen wurden. Neben der Autobahn lag ein totes Beuteltier, ein Reptil tat sich an seinem Leib gütlich. Man nannte sie Goanna. Muller hatte genug davon im Rasthaus gesehen. Sie waren nicht gefährlich, aber sie zischten wie der Teufel und konnten überraschend schnell laufen. Er fragte sich, wie sie schmeckten – und, nach der Küche beim Rasthaus zu urteilen, überlegte er sich, ob er es nicht bereits wusste.
    »Bring den Sleevetop«, sagte Rawlinson, sobald sie aufgesetzt hatten. »Steck es in den Zug und sieh zu, dass du herausfinden kannst, warum er

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