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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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»Viele meiner Landsleute haben deutsche Familiennamen. Und was meine Abstammung angeht, ich bin Mestize, ein halber Indianer.«
    Falls etwas davon Rawlinson beeindruckte, ließ er es sich nicht anmerken. »Habt ihr in Chile Lastwagenzüge?«
    Sie traten hinaus in die warme Luft der Dämmerung. »Keine Lastwagenzüge«, sagte Muller. »Aber schwere Lastwagen befahren den Pan American Highway. Und Dieselloks auf der Eisenbahn, die Eisenerz und Nitrate nach Santiago bringen. Ich habe mit allen möglichen Fahrzeugtypen gearbeitet, Rawlinson; vielen Arten von Dieseln, Gasturbinen- und Elektromotoren, ebenso mit hydraulischen Geräten, Schaufelbaggern, Containerkränen, Turmdrehkränen und Robot-Clipperschiffen.«
    »Ich hab dich nicht nach deinem verdammten Lebenslauf gefragt. Was zählt, ist, ob du es aushältst, hier für Cadman zu arbeiten.«
    »Das Büro in Perth war anscheinend dieser Meinung.«
    Sie näherten sich einer zweimotorigen Propellermaschine, die mit blinkenden Navigationslampen unter den Flutlichtern der Landebahn stand.
    »Hat man dir auch gesagt, dass wir Trans verwenden?«
    »Trans?«
    Rawlinson öffnete eine Luke an der Seite des Flugzeugs und schleuderte seine Tasche in den Laderaum. »Transitionäre, Kumpel. Sie gehören Cadman, weißt du? Genau genommen nicht Cadman, sondern dem Konglomerat, dem Cadman gehört. Du hast schon mit Transitionären gearbeitet, nicht wahr?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Was heißt das?«
    »In Chile sind Transitionäre nicht üblich, Rawlinson. Wir sind noch immer …« Muller zögerte, er wollte nicht, dass er selbst oder seine Landsleute als rückständig dastanden. »Ein konservatives Land.«
    »Na komm schon, selbst der Papst hat seine Zustimmung gegeben. Ich war der Meinung, ihr Leute südlich von Panama wärt alle Rosenkranzdreher.«
    Muller war nicht in Stimmung für diese Diskussion, jetzt nicht. Darum warf er bloß seine Tasche Rawlinsons Werkzeugkasten hinterher. »Es ist jedenfalls nicht meine Aufgäbe, mit Transitionären umzugehen. In Valparaiso habe ich jede Menge Kurse in Mechanik belegt, aber keinen in Psychologie.«
    »Das spielt keine Rolle. Hier draußen wurstelt sich ein Bursche einfach durch, bis er den Kniff heraus hat. Erfahrung ist es, was hier zählt, Kumpel. Wie dieser Hut, siehst du?«
    Muller besah sich eingehend das dunkle Etwas auf Rawlinsons Kopf. »Wunderschön, als ich ihn gekauft habe. Aber zu steif. Darum ließ ich ihn draußen auf der Birdsville, bis ein paar Züge darüber gefahren waren. Nachher gefiel er mir gleich viel besser.«
     
    Sie waren in der Luft, bloß sie beide vorn in der Kabine der zweimotorigen Propellermaschine. Rawlinson hatte die Auftragspapiere in den Schlitz gesteckt, und das Flugzeug hatte alles übrige besorgt, hatte sich in die Luft geschwungen, bis es den Punkt erreichte, wo sich die Tragflächen für den horizontalen Flug nach vorn neigten. Dreißig Minuten waren vergangen, und jetzt schien der Mond. Er beleuchtete die endlosen parallelen Dünen, die den Eindruck erweckten, als sei das Flugzeug nur eine Motte, die über einem eisernen Wellblechdach schwebte.
    »Fressen Cadmans Kühe Sand?«, fragte Muller.
    »Natürlich nicht. Du solltest die Gegend nach einem guten Regen sehen. Über Nacht ein Weizenfeld.« Rawlinson drückte seine Zigarette aus. »Aber hör auf zu gaffen und ruf das Dossier auf. Wir landen in ein paar Minuten.«
    Muller klinkte einen zerbeulten Sleevetop auf, öffnete das Programm und ließ die Dateien vorbeilaufen, bis er die fand, welche die Dokumentation über Cadmans Flotte enthielt.
    »Hier sind die Papiere«, sagte Rawlinson und übergab ihm die Auftragsunterlagen. Muller las die Nummer ab und ließ dann die Dossierliste abrollen, bis er sie fand. »Mack, nicht wahr?«
    »Mitsubishi. Gasturbine.«
    »Das hat uns noch gefehlt. Die verdammten japanischen Fabrikate halten dem Staub nicht stand, musst du wissen.«
    Die Leitstelle war alarmiert worden, als der Zug auf dem Weg nach Süden mit einer vollen Ladung von Cadman-Rindern nicht in der Station Anna Creek eingetroffen war. Das Navsat-Signal des Zuges zeigte an, dass er 30 Kilometer unterhalb von Oodnadatta stand, aber es gab keinerlei Hinweis, warum er zusammengebrochen war.
    »Hoffen wir bloß, dass es eine gebrochene Turbinenschaufel ist«, sagte Rawlinson. »Denn das Letzte, wonach mir zumute ist, ist, mit einer Trans zu streiten.«
    »Sie streiten mit ihnen?«
    »Red ihnen gut zu. Überrede sie, ihren Job weiter zu machen.«

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