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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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verstand, was mit der Zukunft los war. »Lassen Sie mich mal raten. Sie bringen mich ins Leben zurück, und dann ist es so, dass Ihnen mein Arsch gehört, bis ich die Kosten abgetragen habe?«
    »Nun ja«, sagte Leitner. »Sie haben das Wesentliche erfasst. Bis auf den zeitlichen Ablauf.«
    Und dann sagte er, wie Menschen wie sie genannt wurden – Menschen, die bloß als neurale Aufzeichnungen existierten, die irgendwo auf einem Computer liefen; Menschen, die keiner juristischen Definition zufolge Menschen waren, obwohl sie das Potential hatten, an irgendeinem Punkt der Zukunft zu Menschen zu werden, wenn sie es wollten. Dass man sie Transitionäre nannte und dass in der ganzen Welt, zu jedem Zeitpunkt, Tausende von Transitionären tatsächlich arbeiteten, Tätigkeiten ausübten, die zu kompliziert für billige Software und zu anstrengend für die Lebenden waren; und langsam die Kredits ansammelten, die sie brauchten, um ihre zukünftige Rückkehr in die Gesellschaft der lebenden Menschheit abzubezahlen …
     
    Vielleicht war es der Gestank des Diesels, der es bewirkte, oder der rote Farbfleck auf seinen Fingern von dem Zusatz in der Flüssigkeit, die genau wie Blut aussah, oder der Geruch, den der Gestank des Diesels verdecken würde, wie er hoffte, der aber noch immer in der Luft lag. Vielleicht war es das alles, oder vielleicht war es der Blick, den er auf dem Gesicht von Blaine Dubois gesehen hatte; der Blick eines Menschen, dessen Seele man langsam herausgeschnitten hatte.
    Oder vielleicht war es das, was er im Schmutz gesehen hatte, am Ende des Lastzuges, wo der letzte Anhänger aufgebrochen worden war.
    Die Schwarze hatte sich nie verstellt, als sie die Länge des Wagenzuges entlanggingen, aber sie hatte sich bemüht, ihn auf das vorzubereiten, was sie sehen würden. Es war, sagte sie, der wahre Grund, warum sie den Lastzug gestoppt hatten. Nicht wegen der Bodenrechte – das war jetzt eine verlorene Sache, und es war jedenfalls nicht ihr Kampf. Nein, der Grund, warum sie den Zug aufgehalten hatten, waren die Rinder. Genauer: Wegen dem, was die Rinder trugen.
    »Rawlinson behauptete, sie seien trächtig«, sagte Muller. »Er sagte, das wäre der Grund, warum der Zug sie nach Adelaide brächte. Aber mir war die Bedeutung nicht klar.«
    »Klone«, sagte die Frau. »Das ist Cadmans Teil in dem großen Unternehmen. Die Körper heranzuziehen, welche die Transitionäre benötigen, wenn sie die Kosten abbezahlt haben.«
    Und dann zeigte sie ihm, was sie meinte, und Muller war endlich imstande, das quiekende Geräusch, das er gehört hatte, einzuordnen. Ein Laut, der so sehr nach menschlichem Weinen klang. Er konnte sich nicht vorstellen, was es hätte sonst sein können.
    Die Kühe waren vor dem Kalben gestanden, hatte Rawlinson gesagt. Aber nicht ganz. Und diejenigen, die gestorben waren, waren zerrissen; waren aufgeplatzt und hatten eine Leibesfrucht freigegeben, die auszutragen sie nie bestimmt gewesen waren. Eine Leibesfrucht, die sich drehte und wand, bis die Nächste, die am lautesten quiekte, ihr noch nicht ganz ausgebildetes erwachsenes Gesicht Muller zuwandte und die blassen Augen, begleitet von einem Schrei der Angst.
    Die Frau erschoss sie mit einer winzigen Pistole, die Muller gar nicht an ihr bemerkt hatte, und als das Geschrei vorbei war, schraubten sie die Benzinkanister auf und leerten sie darüber aus.
     
    Die Vereinbarung war einfach.
    Die Firma in Singapur, welche die biotechnischen Patente besaß, mit denen Sapphire ins Leben zurückgerufen werden würde, hatte viele Tochtergesellschaften. Eine von ihnen war Cadman, die Transitionäre zum Lenken ihrer Lastzüge benutzte. Auf irgendeine Weise, über die sich Leitner nicht näher ausließ, war dieser Betrieb ein integrierter Bestandteil des ganzen Prozesses, mit dem die Transitionäre ins Leben zurückgerufen wurden – aber das war nicht wichtig: sie hätte genauso leicht in einer Drohne landen können, die die Abwasseranlagen inspizierte oder eine der Maschinen, welche vom Rumpf von Öltankern Muscheln abschabte. Um ihre Kosten abzubezahlen, würde Sapphire ein Jahr lang einen von Cadmans Zügen lenken müssen. Sie würde das zwanzig Stunden lang am Tag tun müssen – Transitionäre benötigten keinen Schlaf –, aber für die restliche Zeit hätte sie Zugang zu allen Datennetzen der Welt; alle simulierten Erlebnisse, die sie sich nur wünschen konnte.
    Nun denn, das schien nicht so schlimm zu sein, nicht wahr?
    Schließlich, als ihr die

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