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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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halbwegs gut, aber es war sehr heiß. Dee dachte an Victor draußen auf dem offenen Meer und an seine Arbeit an dem Organismus, der den Tod der Ozeane verhindern sollte. Und der wiederum Veränderungen bringen würde, jedoch völlig neuartige – mit bekanntem Ziel und Zweck und mit noch unbekannten Konsequenzen. Wie lange würde man dafür brauchen? Hunnert Jahr’, hatte Gum gegackert. Aber selbst Dee – weit davon entfernt, Wissenschaftlerin zu sein – begriff, dass hundert Jahre viel zu lange sein würden.
    Sie faltete Perris Nachricht auf. Überrascht merkte sie, dass es eine Art Gedicht war.
     
    Eine neue Liebe. Ich bin müde
    all dieser Anfänge. Zu viele Frühlinge,
    zu wenige Winter ergeben ein bittres
    immerwährendes Gelbgrün.
    Halt. Genug. Lasst die Ernte kommen.
     
    Dee hatte nicht gewusst, dass Perri zu solchen Gedanken neigte.
    Beim Warten auf den Zug legte Dee das Gesicht in die Hände. Sie wusste nicht, wer Recht hatte: Victor, der wie ein kleiner Gott ganze Ökologien verändern wollte; Paulas Freunde, mit ihrer Absicht des Bewahrens unter Einsatz von Zerstörung; das FBI, das blindlings einem populären Gesetz rigoros Geltung verschaffte. Was davon war der bittre Frühling, was der heilende Winter? Dee wusste es nicht. Ebenso wenig wie sie wusste, ob Eliots furchtbare Beschuldigungen gegen sie stimmten. Wann war Liebe in Wahrheit destruktiv? Wie konnte er so sicher sein, dass das nicht auch auf seine Liebe zu Perri zutraf?
    Für die kommende Nacht war ein Schlag gegen eine Farm in Pennsylvania geplant, wo Bäume gezüchtet wurden, die gentechnisch verändert waren, um die Photosynthese-Kapazität zu erhöhen. In manchen dieser Baumarten, hatte der Gruppenleiter gesagt, befanden sich neben den pflanzlichen auch menschliche Gene. Auch hier wusste Dee nicht, ob das der Wahrheit entsprach. Sie wusste nur eines ganz sicher: Sie würde nicht teilnehmen an dem Überfall. Nicht heute Nacht, nicht irgendwann.
    Lasst die Ernte kommen.
     
    Originaltitel: ›AND NO SUCH THINGS GROW HERE‹
    Copyright © 2001 by Nancy Kress
    Erstmals erschienen in ›Asimov’s Science Fiction‹, Juni 2001
    Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und Paul und Peter Fritz, Literarische Agentur, Zürich
    Copyright © der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Biggy Winter

 
IAN McDONALD
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England
     
Tendeléo’s Geschichte
     
    Ich werde meine Geschichte mit meinem Namen beginnen. Ich heiße Tendeléo. Ich wurde hier, in Gichichi, geboren. Überrascht Sie das? Das Dorf hat sich so sehr verändert, dass niemand, der damals geboren wurde, es heute wiedererkennen würde, aber der Name ist immer noch derselbe. Deshalb sind Namen wichtig. Sie bleiben.
    Ich wurde 1995 geboren, kurz nach dem Abendessen und vor dem Einbruch der Dämmerung. Das bedeutet mein Name in meiner Sprache, Kalenjin: früher Abend kurz nach dem Essen. Ich bin die älteste Tochter des Pfarrers der St. John’s Church. Meine jüngere Schwester wurde im Jahr 1998 geboren, nachdem meine Mutter zwei Fehlgeburten erlitten und mein Vater die Kongregation gebeten hatte, sich ihrer anzunehmen. Wir nannten das Mädchen Klein-Ei. Mehr sind wir nicht, nur wir beide. Mein Vater hatte das Gefühl, ein Vorbild für seine Gemeinde sein zu müssen, und zu jener Zeit propagierte die Regierung kleinere Familien.
    Mein Vater hatte fünf Kirchen in seiner Obhut. Er besuchte sie auf einem roten Geländemotorrad, das er vom Bischof in Nakuru bekommen hatte. Es war ein gutes Motorrad, eine Yamaha. Japanisch. Mein Vater liebte es, damit zu fahren. Er übte das Schlingern und Springen mit der Maschine, allerdings nur auf abgelegenen Straßen, weil er der Meinung war, ein Kirchenmann sollte nicht dabei gesehen werden, wie er sich wie ein Stuntman aufführt. Natürlich sahen ihn die Leute dabei, aber niemand erwähnte ihm gegenüber je etwas darüber. Mein Vater baute St. John’s. Zuvor hatten die Leute auf Bänken unter Bäumen gesessen. Die Kirche, die sein Werk war, war ein stämmiges Gebäude aus weißem Beton. Das Dach bestand aus rotem Blech und Ranken von Trompetenblumen kletterten darüber. Zur Blütezeit hingen die Blumen zu den Fenstern herein. Es war, als ob man sich in einem Garten befände. Wenn ich die Geschichte von Adam und Eva höre, dann stelle ich mir das Paradies so vor, als einen Ort inmitten von Blumen. Im Innern standen Bänke für die Leute, ein Pult für die Predigten und eine

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