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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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aufhält. So, hier sind wir.«
    Sie hatten einen Teil des Decks erreicht, wo ein ferngesteuertes Boot auf gleicher Höhe wie die Reling an einer Seilwinde hing. Victor hob Dee in das winzige Boot und drückte einen Knopf. Das Boot senkte sich auf das Wasser zu.
    »Warten Sie!«, schrie Dee in Panik auf. »Auf der langen Fahrt zurück bekomme ich viel zu viel Sonne ab, zu viel ultraviolette …«
    »Nein, unser Sunblocker ist gentechnisch verbessert«, rief Victor von der Reling aus hinab. »Adieu, Demetria Stavros. Hören Sie auf damit, jene Fülle zu zerstören, die der Mensch in seinen neuen Gärten und Feldern schafft!«
    Das Boot löste sich von der Winde, wendete und fuhr los. Das Wasser war so spiegelglatt, dass Dee nicht einmal seekrank wurde. Sie merkte sich die Position der Sonne; damit und mit der Zeit bis zur Landung würde sie möglicherweise abschätzen können, wo das Schiff vor Anker lag. Doch zu diesem Zeitpunkt würde es sich wohl schon wieder in Bewegung gesetzt haben.
    Die unfreiwillige Bootsfahrt war eine lange; Dee hatte reichlich Zeit zum Nachdenken.
     
    Als sie das Besuchszimmer in Cotsworth betrat, saß Eliot bereits mit Perri zusammen.
    Dee runzelte ungehalten die Stirn; dies sollte doch ihre Besuchszeit bei ihrer Schwester sein und nicht die von Eliot, diesem selbstgerechten Armleuchter. Doch dann sah Dee genauer hin; Perri war immer noch mager, und ihre unglaublichen blaugrünen Augen lagen eingesunken in den Höhlen, aber heute strahlten sie. Irgendetwas war geschehen.
    »Dee!«, rief Perri von ihrem Platz auf der anderen Seite des Tisches. »Eliot und ich haben uns verlobt!«
    Dee erstarrte.
    »Willst du uns nicht gratulieren?«, fragte Eliot.
    Dee vernahm den Schlachtruf in seiner Stimme. »Weshalb?«, fragte sie. »Weil Perri schon wieder Mist baut und dich da mit reinzieht? Oder bist du derjenige, der diese Schnapsidee hatte? Mit euch beiden läuft die Sache nie, und wenigstens du, Eliot, solltest so viel Hirn und Weitblick haben, um das zu wissen!«
    »Und weshalb läuft die Sache bei uns nicht?«, fragte Eliot mit seiner Anwaltsstimme. Ruhig. Auf der Suche nach Informationen. Trügerisch.
    »Ihr beide seid zu verschieden! Lieber Himmel, Eliot, du bist ein aufstrebender Strafverteidiger, und Perri ist …«
    »Eine Verbrecherin?«, schnitt Eliot Dee das Wort ab, »eine Niete? So hast du sie doch genannt! Deine eigene Schwester. Wovor hast du Angst, Dee?«
    »›Angst‹? Dass ich nicht lache. Mit deiner Anwaltsrhetorik kannst du es bei jemand anderem versuchen, aber nicht bei mir!«
    »Du hast Angst. Du hast furchtbare Angst. Du denkst, du wirst sie verlieren, und wen wirst du dann regelmäßig und heldenhaft vor dem sicheren Untergang retten, um deine eigene Existenz zu rechtfertigen?«
    »Du weißt doch gar nichts von …«
    »Ich weiß, dass du es ihr ganzes Leben lang mit Perri so gehalten hast.«
    »Du glaubst, du …«
    »Hört auf!«, rief Perri so laut, dass die anderen Gefangenen und ihre Besucher mitten im Satz innehielten und herüberstarrten. Die Wache war bereits auf dem Weg zu ihnen.
    »Hört auf«, wiederholte Perri, diesmal leiser. »Dee, die Entscheidung liegt nicht bei dir. Sondern bei mir. Und du, Eliot, bist auch ruhig. Meine Beweggründe kann ich meiner Schwester auch selbst klarmachen.«
    »Probleme, Herr Anwalt?«, fragte die Wache.
    »Nein«, sagte Eliot. »Danke.«
    »Dee«, fuhr Perri fort, »ich habe dir etwas aufgeschrieben. Nimm es mit. Und ich werde Eliot heiraten.« Sie hielt Dee ein klein zusammengefaltetes Blatt Papier hin. An ihrer linken Hand funkelte ein Diamantring.
    »Und erzähl mir nicht, dass ich hier herinnen einen solchen Ring nicht tragen kann, weil er mir sofort gestohlen wird«, sagte Perri. »Eliot nimmt ihn wieder mit. Aber in drei Monaten komme ich raus, wenn ich mich zusammenreiße und allen Schwierigkeiten aus dem Weg gehe. So lange kann ich es aushalten. Ich schaffe das, Dee.«
    Aber ich nicht, dachte Dee und bekam plötzlich Angst, sich zu fragen, was genau dieser Gedanke zu bedeuten hatte. Sie wandte sich ab. »Ich gehe jetzt, Perri. Bis zum nächsten Mal.«
    »Gut«, sagte Perri leise. Ohne hektischen Beschwichtigungsversuch angesichts Dees offener Verärgerung, ohne inständige Bitte, doch noch zu bleiben. Ohne jedes Anzeichen dafür, dass sie Dee brauchte.
    Nachdem Dee die lästige Serie von versperrten Toren, Kontrollen und Sicherheitszonen hinter sich gelassen hatte, schlug sie den Weg zur Bahnstation ein. Die Luft war heute

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