Auf der Straße nach Oodnadatta
Schritt zum Ufer zurück und kaum hatte ich festen Boden unter den Füßen, lief ich, den Eimer in der einen, meine Schuhe in der anderen Hand, zum Lagerplatz zurück.
»Abos«, schrie ich mit überschlagender Stimme. »Unten am Fluss.«
Perdy, Brahe und Jonathan sprangen auf. Patton fluchte und griff nach seinem Revolver, der wie immer direkt neben ihm lag. Auch die anderen hatten wie selbstverständlich ihre Waffen in den Händen. Ich stellte den Eimer ab. »Sie sind am anderen Ufer. Eine ganze Menge«, fügte ich hinzu, ohne wirklich zu wissen, wie viele es waren. In meiner Panik hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, genau hinzusehen.
Jonathan nickte. »Das müssen die sein, die sich schon seit Wochen hier herumtreiben. Perdy, komm, wir sehen einmal nach.«
Der Angesprochene brachte sein Gewehr in Anschlag und folgte Jonathan langsam in die Richtung, aus der ich gekommen war. Brahe reichte mir mein Gewehr. Es war ein halbautomatisches Repetiergewehr mit einem Magazin von zwanzig Schuss. Er hatte die Waffe zum erstenmal in der Hand und warf einen erstaunten Blick darauf, bevor ich sie ihm abnahm. Auch hier würden einmal mehr die englischen Manufakturen herhalten müssen. Brahe kauerte sich hinter einen Baumstamm, und ich ging hinter einem Busch in Deckung. Wir warteten. Außer dem gelegentlichen Rauschen von Flügeln, den Schreien der Kakadus und meinem eigenen stoßweisen Atem war nichts zu hören. Ich machte mir Gedanken über meinen Munitionsvorrat. Das Magazin im Gewehr war voll, doch die Schachtel mit weiteren fünfzig Patronen lag im Wagen, der gut zwanzig Meter entfernt stand. Dazwischen lag freies Gelände. Es dauerte nicht allzulange, dann kamen Perdy und Jonathan mit ernster Miene zurück.
»Nichts zu sehen«, erklärte Perdy und machte dabei keinen glücklichen Eindruck. »Keine Spur von den Wilden. Wie vom Erdboden verschwunden.«
Brahe stand auf, wobei er seine Waffe schussbereit in der Hand behielt. »Was habt ihr anderes erwartet. Sie tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder. Und keiner weiß, was sie eigentlich wollen, oder woher sie kommen.«
Woher sie kamen, war uns auch ein paar Stunden später nicht klar, als acht von ihnen auf einmal in der Abenddämmerung wie aus dem Boden gewachsen aus dem Unterholz auf unsere Feuerstelle zutraten. Wir hatten nichts gehört, oder auf die wenigen Geräusche, die ihr Erscheinen erfahrenen Leuten angekündigt hätte, nicht geachtet. Perdy und Jonathan sprangen auf und brachten sofort ihre Waffen in Anschlag. Anscheinend kannten die Abos die Wirkung dieser unscheinbaren Dinger schon, denn sie blieben sofort stehen und gaben keine Anzeichen, von ihren Bögen und Speeren Gebrauch zu machen. Wie zur Beschwichtigung setzten sie sich auf den Boden. Die untergehende Sonne in ihrem Rücken ließ sie zu schwarzen Silhouetten im Vordergrund unseres Gesichtsfeldes werden. Bewegungslos starrten sie zu uns herüber, und wir, nicht minder unschlüssig, was zu tun wäre, zu ihnen. Fast verbrannte Äste knackten im Feuer zwischen uns und manchmal flogen mit einem lauten Knall die Funken in die Luft. Ich hatte eine Dose Bohnen zwischen meinen Beinen, die ich gerade öffnen wollte. Mein Beitrag zu unserem kargen Abendessen. Wie Rodins Denker, der zu dieser Zeit auch noch nicht existierte, höchstens als vage Vorstellung im Kopf des jugendlichen Künstlers, saß ich auf dem Baumstumpf, in der Bewegung erstarrt, und schielte zu den wie Termitenhügeln aus den Boden gewachsenen Abos hinüber.
»Was wollen die nur?«, stieß Brahe kaum vernehmbar zwischen den Zähnen hervor. Jonathan schüttelte als Ausdruck des Nichtwissens den Kopf. Perdy blickte sich nervös um, so als ob er einen Angriff aus dem Hinterhalt vermutete. Patton, der, wie den ganzen Tag, unverändert an den Dig Tree gelehnt dalag, versuchte ihn mit ein paar Worten zu beruhigen. Ich stellte die Dose, die ich die ganze Zeit zwischen meinen Oberschenkeln gehalten hatte, vorsichtig ab. Mein Gewehr lag außer Griffweite auf meinem Swag.
»Verdammte Wilde«, raunte Perdy, was von Brahe mit einer unwilligen, Ruhe gebietenden Handbewegung quittiert wurde. Die Zeit dehnte sich, die Sonne schien über dem Unterholz stehenzubleiben, und die langgezogenen Schatten lagen wie festgenagelt auf dem sandigen Boden. Meine Hände waren feucht von kaltem Schweiß, und ich wagte nicht, mich zu bewegen. Das Wasser im Kessel kochte über, platschte in die Glut und mit einem erschreckend lauten Zischen, das uns alle
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