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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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tauschte. Der Reigen der einander ablösenden Partner wurde immer rasanter, bis er zu einem verschwommenen Wirbel verschmolz, der in einem monströsen Orgasmus aus bestialischen Schreien und Körperzuckungen zu explodieren drohte.
    »Aufhören!«, brüllte Mira, ohne indessen wegzuschauen.
    Jimmy zwang sich dazu, den Blick abzuwenden, doch es kostete ihn eine gewaltige Anstrengung. Dann nahm er Miras Kopf und drückte ihr Gesicht gegen seine Schulter.
    Eine Zeit lang hielt er sie ganz fest.
    Als er wieder hinsah, war die große Projektionsfläche leer.
    Augie zwitscherte: »Findet ihr keinen Gefallen mehr daran, wenn eure Lustzentren angeregt werden? Seid ihr krank?«
    »Nein, wir sind nicht krank, Augie«, widersprach er, Mira loslassend. »Wir haben lediglich beschlossen, getrennt zu leben.«
    Mira blickte zu ihm auf. »Wie kann er nur so reden? Als ich ihn bekam, war sein Kernspeicher absolut leer …«
    Jimmy zog sie wieder an sich. »Das schnappt er irgendwo draußen auf … vergiss nicht, dass er an die ganze Welt angeschlossen ist.«
    Er hielt sie so lange umschlungen, bis sie die Umarmung erwiderte.
    Nach einer Weile rückte sie von ihm ab. »Du hättest ihm nicht zu erklären brauchen, wie es um uns beide steht«, meinte sie in anklagendem Ton. Dann sah sie ihn aus ihren großen braunen Augen an und fügte hinzu: »Ich wünschte, wir hätten ein paar von den Dingen getan, die im Film vorkamen.«
    Sie lachte laut auf und fing übergangslos an zu weinen.
    »Was wird aus mir«, erkundigte sich Augie, »wenn ich groß bin und auf eigenen Füßen stehe?«
    Jimmy warf Mira einen verblüfften Blick zu. Sie hörte auf zu weinen und starrte ihn voller Entsetzen an, als hätte er Augie diese Frage in den Mund gelegt.
    »Wann kann ich von hier ausziehen?«
    Mira zuckte zusammen, und Jimmy wusste, dass er nicht länger schweigen durfte. Jetzt war der günstigste Zeitpunkt, um es ihr schonend beizubringen.
    »Wir müssen ihn löschen«, sagte er.
    Blanker Horror malte sich auf ihren Zügen ab, und plötzlich sah sie sterbenselend aus. Sie stand kurz vor einem Zusammenbruch, und mit einem Mal wurde ihm ganz mulmig zu Mute.
    »Ich lass jemanden raus kommen«, schlug er vor, obwohl ihm schwante, dass vermutlich nichts mehr zu retten wäre.
    Blitzartig schnellte ihre Hand hoch, und sie hielt ihn am Handgelenk fest. Er staunte, wie kräftig sie zupacken konnte. »Nein«, würgte sie hervor.
    »Wir können nichts mehr tun. Seine Hardware ist alt und in seine Software haben sich Viren eingenistet. Er ist defekt. Es kann nur noch schlimmer werden.«
    Das Gleiche gilt für dich, setzte er in Gedanken hinzu.
    »Vielleicht macht er nur Spaß«, wandte sie ein.
    »Wir lassen ihn trotzdem durchchecken, nur um auf Nummer Sicher zu gehen.«
    »Können wir ihn nicht einfach so lassen, wie er ist?«, fragte sie, sein Handgelenk wie mit einem Schraubstock umklammernd. »Wir könnten ihn auf stumm schalten und sein Video abstellen. Sämtliche Eingangsleitungen kappen.« Sie schwieg ein Weilchen, dann gab sie mit einem Seufzer seine Hand frei. »Du hast Recht. Es wäre zu grausam.« Sie wandte den Blick von ihm ab. »Warum musste das passieren?«, richtete sie ihre Frage an die hintere Zimmerecke.
    »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Jimmy, der sich irgendwie schuldig fühlte. »Vielleicht weiß er zu viel und zieht die falschen Schlüsse. Wie ein Mensch.«
    »Hältst du das für möglich?«, fragte sie in träumerischem Tonfall, wie wenn sie insgeheim einen Plan austüftelte.
    Augie hüllte sich in ominöses Schweigen.
    Aber was konnte Augie schon anstellen? Er war gar nicht imstande, aktiv zu handeln. Gewiss, er vermochte die Gefühle seiner Besitzer zu beeinflussen, doch nur insoweit, wie diese es zuließen. Jimmy fand, dass Mira sich viel zu oft hatte manipulieren lassen, und neuerlich gestand er sich ein, dass er wiederum von ihr gesteuert wurde.
    »Mal sehen, was der Mechaniker dazu sagt«, erklärte er.
    Sie lehnte sich zurück und blickte erleichtert drein, aber er wusste sehr wohl, dass sie viel zu hohe Hoffnungen in seinen Vorschlag setzte.
    »Ein guter Rat für junge Damen – begebt euch nie allein zu einem Mann aufs Zimmer – egal, welches Jahr, welchen Tag, welche Stunde oder Minute man schreibt.«
    Bibbernd vor Nervosität setzte sich Mira aufrecht hin.
    »Aber man braucht ja kein Jahr, keinen Tag, keine Stunde oder Minute zu warten – es kann binnen einer Sekunde oder einem Bruchteil davon geschehen.«
    »Ach, Augie!«,

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