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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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abschaltete, kehrten die wohlwollenden Gefühle zurück.
     
    * * *
     
    Vor nicht allzu langer Zeit, als seine Eltern Heranwachsende waren, hatte man auf Schreibtischen Kästen stehen, und es gab kleinere, schmalere Boxen, die man überallhin mitnehmen konnte. Man lud sie mit sachbezogenen Programmen und ließ diese für sich arbeiten. Nun hingegen zog man sie groß wie Kinder. Die Künstlichen Intelligenzen lernten, so wie Kinder sich Wissen aneignen, und spiegelten im Lauf der Zeit den Charakter der sie erziehenden Personen wider, im Guten wie im Bösen. Nur altmodische Leute bezeichneten sie noch als PCs oder Computer.
    Zu der Zeit, als er und Mira sich trennten, hatten sie Frank zu einem Butler ausgebildet. Er befleißigte sich der Sprache eines Hausdieners und erledigte nach Manier eines höher gestellten Domestiken ihre Angelegenheiten. Frank war unübertroffen, schlichtweg vollkommen. Wie bei einem herkömmlichen Butler ließ er sich nicht anmerken, was in ihm vorging, sondern er widmete sich ausschließlich den ihm auferlegten Pflichten. Frank durfte sein Innenleben getrost hegen und pflegen, so lange er seine Arbeit tat und seine Gemütsregungen nicht an die große Glocke hängte. Denn heutzutage besaßen sie ein eigenständiges Wesen, eine Art Seele, jedenfalls glaubten das viele Leute. Mitunter sah Jimmy nicht so recht ein, wieso sie so etwas wie einen Charakter brauchten. Aber welches Eigenleben auch immer Frank besitzen mochte, er behielt es glücklicherweise für sich, und das war Jimmy nur Recht.
    Mira hingegen hatte Augie großgezogen wie einen heiß geliebten Sohn, und das brachte Komplikationen mit sich, besonders dann, wenn sie ihn aus einer durch Liebe verblendeten Perspektive betrachtete. Nach ihrer Trennung hatte sie Augie behalten und ihm Frank überlassen. Nun bat sie ihn bereits zum dritten Mal, zu ihr zu kommen und ihr mit Augie zu helfen.
    »Shit!«, fluchte er, nachdem er sich fertig angezogen hatte. Was mache ich eigentlich? »Frank, ruf Mira an«, befahl er.
    Sein Schlafzimmermonitor schaltete sich ein, und sogleich umfing ihn der übliche akustische Abgrund.
    »Was, du bist immer noch bei dir zu Hause?«, kreischte Mira in Panik.
    »Ja«, antwortete er, während seine Entschlossenheit ins Wanken geriet. »Während ich mich rüste, kannst du mir schon mal schildern, was schief gelaufen ist.« Er würde nicht zu ihr gehen, sagte er sich. Stattdessen wollte er sie einfach abschalten und die ganze Geschichte vergessen.
    Nach kurzem Zaudern begann sie: »Ich weiß es nicht. Augie scheint sich aufzulösen. Du musst rüber kommen, Jimmy. Ich brauche dich hier!«
    »Inwiefern löst er sich auf?«, hakte er freundlich nach, während ein lauer Anflug von Nostalgie ihn heimsuchte. Ihm war zu Muter als sei er wieder ein Kind und hätte sich im Schlaf eingenässt.
    »Das musst du dir mit eigenen Augen ansehen«, erwiderte sie.
    Ihm lag auf der Zunge zu fragen, was sie eigentlich von ihm erwartete, doch ihm war klar, dass sie dann endgültig die Nerven verlieren könnte. Nicht zum ersten Mal wunderte er sich über das unbedingte Vertrauen, das sie in ihn setzte. Als wäre er ihr jemals von Nutzen gewesen.
    »Trödle nicht so herum!«, schrillte sie, einen Ton anstimmend, der in seinem Kopf Funken zu schlagen schien.
    »Na schön. Bin schon unterwegs«, antwortete er. Er entsann sich, wie vernarrt sie in Augie war; sie nannte ihn ihren kleinen Engel, ihr Baby, gar ihr besseres Selbst. Am liebsten wäre sie in ihn hinein gekrochen, falls es möglich gewesen wäre, sich selbst herunter zu laden. Manche Leute behaupteten, eines Tages sei man so weit, einen Menschen downzuloaden. Angeblich sei es bereits Usus bei den Reichen und Mächtigen, die immer Mittel und Wege fanden, sich in ein Paradies einzuschmuggeln.
     
    * * *
     
    Er spürte, wie sie ihn mit ihren Blicken verfolgte, als er sich ihrer Tür auf der fünfundsiebzigsten Etage des Studio-City-Nests näherte. Die Tür flog auf, und da stand sie; eine Stoffpuppe in Unterwäsche, das zerstrubbelte Haar tränennass. Bestürzt trat er ihr entgegen, und hinter ihm glitt die Tür ins Schloss.
    »O Jimmy!«, heulte sie los und warf sich an seine Brust. »Was machen wir nur?«
    Er nahm sie in die Arme. »Komm, setz dich erst mal hin. Lass uns mit ihm reden.«
    Zitternd schmiegte sie sich einen Moment lang an ihn, dann prallte sie zurück. »Genau das tue ich seit dem frühen Morgen!«
    »Hey, Jimmy!«, krakeelte Augies Tenor aus allen Richtungen, und

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