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Auf der Straße nach Oodnadatta

Auf der Straße nach Oodnadatta

Titel: Auf der Straße nach Oodnadatta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Jimmy erinnerte sich an den ersten Tag. Weißblond und mit blauen Augen, eilte Augies Image an das Drei-D-Window und patschte mit seinen Babyhändchen dagegen, begierig, von seinen Eltern unterwiesen zu werden, auf welche Weise er ihnen dienen konnte.
    Image? Immer noch musste sich Jimmy vergegenwärtigen, dass das sichtbare Bild und die Stimme zu keinem realen Körper gehörten. Nichts Greifbares steckte hinter dieser Vision; sie war nichts weiter als ein aufwendig konserviertes Gespenst.
    »Hallo, Augie«, entgegnete er. »Und was soll mit ihm nicht stimmen?«, raunte er Mira zu.
    »Ich hab’s gehört!«, plärrte Augie.
    Mira setzte sich auf das Sofa und bat ihn in aller Ruhe: »Stell ihm eine ganz simple Frage. Wie viel ist zum Beispiel zwei plus zwei.« Ihre momentane Gefasstheit wartete nur darauf, durch einen neuerlichen Ausbruch an Hysterie erschüttert zu werden.
    Er nahm neben ihr Platz. »Wie viel ist zwei plus zwei, Augie?«
    Ein kindliches Kichern ertönte. »Wieso fragst du?«
    »Ich möchte nur feststellen, ob du es weißt, Augie.«
    »Zwei plus zwei wovon, Jimmy? Ein Korb voller Äpfel kann mehr Obst enthalten als ein anderer Korb mit Äpfeln. In einem stecken vielleicht fünfundsechzig Äpfel, in dem anderen vierundsechzig. Trotzdem haben wir es mit zwei Körben voller Äpfel zu tun.«
    »Ich spreche von Zahlen, Augie! Wie viel macht es, wenn ich die Ziffer zwei mit der Ziffer zwei addiere?«
    »Ich soll eine Ziffer mit sich selbst addieren?«, staunte Augie. »Das geht doch gar nicht, oder, Jimmy? Nicht, wenn diese Ziffer mit sich selbst identisch ist.« Wieder gibbelte er. »Es ergäbe keine Summe.«
    Mira funkelte ihn vielsagend an. »Verstehst du jetzt, was ich meine? Du bekamst den Butler, und ich behielt das verzogene Gör.«
    Wenn sie sich gegen Augie wandte, käme das für sie einem Befreiungsschlag gleich, sinnierte Jimmy, und würde seine Aufgabe wesentlich erleichtern. Doch das wäre zu schön, um wahr zu sein, resignierte er gleich darauf.
    Jimmy wagte einen zweiten Anlauf. »Nun, Augie, du weißt sehr wohl, dass es sich bei der Addition um unterschiedliche Ziffern handelt. Selbstverständlich soll hier keine Zahl mit sich selbst addiert werden. Also, wie viel macht zwei plus zwei?«
    »Wir beide kennen das Resultat«, stichelte Augie.
    »Wie lautet es denn? Willst du es mir nicht verraten?«
    »Wieso sollte ich, da du es ja doch weißt?«, gluckste Augie vergnügt.
    »Los, sag’s schon.«
    »Ich habe nicht gelogen«, entgegnete Augie mit feierlichem Ernst. »Ich kenne das Ergebnis. Mehr kannst du von mir nicht verlangen. Du bist ohnehin nicht hier, um dich mit mir zu unterhalten.«
    Jimmy fand es befremdlich, dass Augie sich nicht auf dem großen Bildschirm zeigte.
    »Wir brauchen einen Fachmann«, flüsterte Mira. Ihre gesenkte Stimme machte Jimmy Angst. »Das übersteigt unsere Kräfte.«
    »Jimmy, was ist überhaupt eine Zahl?«, quäkte Augie. »Wie kann sich eine zwei von einer anderen zwei unterscheiden?«
    Zahlen sind dasselbe wie du, hätte er gern geantwortet, die Abstraktion eines physikalischen Konzepts, das sich aufführt, als besäße es eine Eigendynamik mit einem unabhängigen Bewusstsein! Bei der Erziehung haben wir irgendwas falsch gemacht, räumte er im Stillen ein und überlegte, was als Nächstes zu tun sei.
    Ein Blick in Miras große traurige Augen verriet ihm, dass er es nicht riskieren durfte, Augies Eliminierung vorzuschlagen. Ganz allmählich musste man sie zu der Einsicht bringen, dass ihr Liebling gelöscht werden musste. Schließlich war sie wichtiger als irgendeine KI, und ihre Gesundheit ging vor, ganz gleich, wie er heute zu ihr stehen mochte. Zum Glück klang sie immer noch, wie wenn sie sich allmählich von Augie abnabelte.
    Ein paar Minuten lang saßen sie schweigend nebeneinander.
    Dann platzte Augie heraus: »Wieso hast du keine Lust mehr, sie zu vögeln, Jimmy?«
    Mira sah ihn erschrocken an.
    »Brauchst du vielleicht eine fremde Möse?«, fuhr Augie fort.
    Der große Drei-D-Schirm über dem Kamin schaltete sich ein und zeigte einen Mann und eine Frau in hitziger Kopulation.
    »Nein!«, kreischte Mira, als sie sich selbst erkannte.
    Aber der sexuelle Akt übte eine geradezu hypnotische Wirkung aus, und Jimmy spürte, dass Augie mehr im Sinn hatte, als ihr Interesse zu fesseln.
    Plötzlich wechselten die nackten Partner. Er sah sich selbst und Mira; dann eine andere Frau; als Nächstes Mira mit einem fremden Kerl, der wiederum seine Gespielin

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