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Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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streckte die Hand aus, pflückte eine Blume und hielt sie sich vors Gesicht, um die Blütenblätter zu betrachten. Doch es kamen keine weiteren Erinnerungen.
    »Der griechische Hyperanthropos? «, fragte er.
    »So ähnlich. Der Begriff, den Nietzsche verwendet, ist Übermensch . Ein Mensch, der frei ist von den künstlichen Einschränkungen der Moral.« Wells schnaubte verächtlich. »Moral! Ha! So sehr wir Gott immer wieder in unseren Ausrufen und Flüchen beschwören, wir alle wissen, dass er tot ist. Dein Darwin hat ihn getötet, und das Konzept übernatürlich definierter Moralvorstellungen hätte mit Gott zusammen sterben sollen.«
    Burton hob protestierend eine Hand. »Bitte! Der Mann ist nie ›mein‹ Darwin gewesen.«
    »Er war ein Mann deiner Zeit. Wie dem auch sei   – ohne einen Gott, der vorgibt, was richtig und was falsch ist, hat die Menschheit ein moralisches Vakuum zu füllen. Nietzsches Übermensch tut das gemäß einer inneren Neigung, die losgelöst ist von gesellschaftlichen, kulturellen oder religiösen Einflüssen. Laut Nietzsche überwindet ein solcher Mensch seine animalischen Instinkte. Außerdem werden sich aus all den individuellen Verhaltensnormen gewisse gemeinsame Werte herauskristallisieren, die so vollkommen auf den Zeitgeist abgestimmt sind, dass sich die menschliche Evolution beschleunigen wird. Gott hat eine Leere zurückgelassen. Wir werden sie ausfüllen.«
    Burton dachte eine Zeit lang darüber nach. Dann sagte er: »Wenn ich dich richtig verstehe, ist die Konsequenz, dass der Zeitgeist, also die Zeit selbst, einen vorteilhaften Zweck erfüllt.«
    »Ja. Nietzsche sagt, dass wir durch das Leben unsere eigentliche Beziehung zu der Zeit behindern. Wir missverstehen die Zeit. Wir sehen nur einen Aspekt davon und lassen zu, dass er uns beherrscht. Dadurch bleiben wir an die natürliche Welt gebunden. Nur der Übermensch kann die Zeit überwinden.«
    Plötzlich verfinsterte sich der Himmel. Die Sonne ging unter.
    Wells sagte: »Du bist nicht zufällig ein Übermensch? Immerhin ist es dir irgendwie gelungen, den Beschränkungen der Zeit zu trotzen.«
    Burton setzte ein schiefes Lächeln auf. »Ich bezweifle sehr, dass ich irgendetwas bin, das Nietzsche als erstrebenswert betrachten würde.« Er strich müßig über einen flachen, moosbedeckten Stein, als ihm plötzlich die Erinnerung kam. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Beresford! An ihn habe ich mich zu erinnern versucht. Henry de La Poer Beresford, der Irre Marquis! Bertie! Diese Sache mit dem Übermenschen ähnelt auffallend einem Gedanken des Schöpfers der Libertins! Beresford war besessen von der Vorstellung des transnaturalen Menschen , wie er es nannte, und inspiriert wurde er von   … oh, verdammt!«
    »Von wem?«, fragte Wells verwirrt.
    »Von Spring Heeled Jack!«
    »Von einer Legende?«
    »Von Edward Oxford!«
    »Meinst du damit den Mann, der den Anschlag auf Königin Viktoria verübt hat?«
    »Ja und nein.«
    »Du redest wirres Zeug, Richard!«
    »Ich versuche gerade, mich zu erinnern.«
    Burton rieb heftig an dem Stein, als könne es helfen, die Nebel in seinem Gedächtnis zu lichten.
    »Die Libertins«, ergriff Wells das Wort. »Ich glaube, sie haben sich eine Zeit lang gegen die Technokraten gestellt, sind aber in den 1870er oder 1880er Jahren nahezu ausgestorben.«
    Burton erwiderte nichts. Er beugte sich vor und runzelte die Stirn. Wells musterte ihn neugierig, dann ging er zu ihm. Erstreckte die Hand aus, schob mehrere Blumen beiseite und betrachtete im schwindenden Licht den flachen Stein.
    »Sind das Buchstaben?«, fragte er.
    »Ja«, murmelte Burton. »Da ist eine Inschrift.«
    Wells griff in seine Tasche und zog einen Dolch hervor. »Hier, nimm den.«
    Burton nahm den Dolch entgegen und schabte mit der Klinge das Moos weg. Worte kamen zum Vorschein. Auf dem Stein stand:
    Thomas Manfred Honesty
    1816 – 1863
    Er verlor sein Leben
    bei der Befreiung der Versklavten.
    Möge er in Frieden ruhen.
    *
    Am Morgen, als die Expedition aus Nzasa aufbrach, schickte Sir Richard Francis Burton seinen Sittich Pox zu Isabel, um ihr seine Position zu melden. Als der Vogel zurückkehrte, krächzte er: »Nachricht von Isabel Arundell. Wir bedrängen den aus dem Maul stinkenden Feind noch immer. Habe bisher achtzehn meiner Frauen verloren. Der Feind stellt gerade eine idiotische Gruppe zusammen, die dich verfolgen soll. Wir werden versuchen, sie aufzuhalten. Schmutzfink. Ende der Nachricht.«
    Angesichts der drohenden

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