Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)

erst auf den vibrierenden Speer, dann zum Himmel und schließlich auf Burton.
    »Oho!«, sagte er. »Mr. Burton, bitte übermitteln Sie meiner vierten Frau eine Botschaft. Sagen Sie ihr   …«
    Er kippte zurück. Der Speer schwenkte in eine lotrechte Position. Blut blubberte aus Sidi Bombays Mund. Seine Augen spiegelten den azurblauen Himmel; dann wurden sie starr und glasig.
    »Hinterhalt!«, brüllte Burton. »In Deckung!«
    Die Engländer ließen ihre Bündel fallen und hechteten in denSchatten eines überhängenden Felsens. Speere regneten herab und landeten klappernd auf dem steinigen Untergrund.
    Burton spähte hinter einem Felsblock hervor zum oberen Rand der gegenüberliegenden Seitenwand der Schlucht. Dort zeichneten sich die Umrisse von Gestalten ab. Ein Speer prallte nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt gegen den Stein. Hastig zog er sich zurück.
    Spencer befand sich neben ihm. »Alles in Ordnung, Herbert?«, erkundigte sich Burton.
    »Ja, Boss.«
    »William!«, rief der Entdecker. »Geht es dir gut?«
    »Bestens! Aber noch besser würde ich mich fühlen, wenn unsere verfluchten Gewehre funktionstauglich wären!«, kam die Antwort hinter einem Felsgebilde etwa fünfzig Meter entfernt hervor.
    »Algy?«, rief Burton.
    Swinburne, der sich hinter einen Geröllbrocken zu Burtons Rechter geworfen hatte, sprang aus seiner Deckung hervor. Er schaute auf und schwenkte wie ein Wahnsinniger die Arme. »Hallo!«, brüllte er zu den schattigen Gestalten hinauf. »Hallo da oben, ihr Preußen! Warum tut ihr uns nicht einen Gefallen und seht zu, dass ihr Land gewinnt?«
    Seine Stimme hallte von den hohen Wänden wider. Speere sausten herab und landeten klappernd rings um ihn.
    »Algy!«, schrie Burton gellend. »Geh in Deckung, du gehirnamputierter Narr!«
    Swinburne schlenderte gemächlich zu Burton und gesellte sich hinter dem Felsbrocken zu ihm.
    »Ich versuche, sie dazu zu bringen, mehr von den verflixten Dingern herunterzuwerfen«, erklärte er. »Sie können keinen unerschöpflichen Vorrat davon haben.«
    »An sich ist das keine üble Idee«, brummte Burton, »nur jämmerlich umgesetzt. Versuch, dir den Unterschied zwischen furchtlos und tollkühn vor Augen zu halten.«
    Er ließ den Blick durch die von Felsgeröll übersäte Schlucht wandern. Die Rucksäcke der Expedition lagen wild verstreut herum. Mehrere Speere ragten aus ihnen.
    »In den Rucksäcken wird nicht mehr viel Brauchbares sein, am wenigsten die Wasserflaschen«, brummte er.
    Trounces Stimme ertönte widerhallend: »Wie viele verfluchte Speere haben die da oben denn noch?«
    »Viel weniger als zuvor!«, gab Burton zurück. »Algy hatte schon recht   – je mehr sie verschwenden, desto besser.«
    »Vielleicht sind sie gar nicht verschwendet«, warf Swinburne ein. »Mir scheint, sie versuchen ganz gezielt, uns hier festzusetzen.«
    Burton rief: »William! Schaffst du es hier herüber?«
    »Pass mal auf!«, kam die Antwort.
    Trounce sprang in Sicht und stürmte durch den Zwischenraum, der sie trennte. Dabei schlug er Haken, als rings um ihn Speere einschlugen. Unterwegs schnappte er sich drei der Rucksäcke und schleifte sie mit. Dann fegte er mit dem Arm einen herabsausenden Schaft beiseite, hechtete auf den Boden und schlitterte inmitten einer Staubwolke in Sicherheit.
    »Puh! Bin ich noch in einem Stück?«
    »Keine einzige Stichwunde, soweit ich es sehen kann. Kannst du das noch mal?«
    Der Mann von Scotland Yard reichte Swinburne die Rucksäcke zur Überprüfung. »Nein. Meine Beine brennen von den Wundstellen immer noch wie Feuer. Wie sieht der Plan aus?«
    »Wir huschen von Deckung zu Deckung und bleiben in Bewegung. Wir dürfen in freiem Gelände nicht mal Luft holen, sonst enden wir als Nadelkissen.«
    »Da hast du wohl recht.«
    Der Agent des Königs schaute zu Sidi Bombays Leichnam hinüber. Ein weiterer Toter. Ein weiterer verlorener Freund. Ein weiterer Teil seiner Welt, der ihm entrissen worden war.
    Er fragte sich, wie viel er davon noch ertragen konnte.
    Der Entdecker hatte keine andere Wahl, als den Afrikaner dort zurückzulassen, wo er lag. Vielleicht würde sich später eine Gelegenheit finden, ihn zu bestatten, sofern sich nicht zuvor Tiere über die Leiche hermachten.
    Trounce beobachtete, wie Swinburne den Inhalt der drei Bündel umschichtete und alles in einem Rucksack verstaute. »Was haben wir?«, fragte der Agent des Königs.
    »Nicht viel«, antwortete der Dichter. »Eine unversehrte Wasserflasche, einen verbeulten