Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
schwirrten bald hierhin, bald dorthin. Samen segelten auf federgleichen Schwingen vorüber. Und im Baldachin über ihnen krächzten und kreischten, pfiffen und fluchten Tausende und Abertausende Sittiche.
Burton musste lachen und konnte gar nicht mehr aufhören.
Wells, der vorneweg fuhr, drehte sich um und zog die Augenbrauen hoch. »Was in aller Welt ist in dich gefahren?«
»Pox!«, rief Burton. »Pox und Malady! Ihr Götter! Wie viele Eier hat dieser vermaledeite Vogel denn gelegt? Ha!« Er hob das Gesicht zum Himmel an und brüllte: »Pox! Pox! Pox!« Dann beugte er sich vor und wurde plötzlich von heftigem Schluchzen erfasst, denn zu viele Erinnerungen kehrten zurück, und er wusste ganz sicher, dass er zurückgehen würde – und er besann sich auch, wohin.
Wells zügelte seinen Weberknecht, bis er sich neben dem des Entdeckers befand. »Was ist denn? Geht es dir nicht gut?«
»Ich kann es nicht ertragen«, flüsterte Burton. »Ich kann es nicht ertragen! Es wäre für jeden Menschen zu viel. Ich muss einen Weg finden, alles zu verändern, Bertie. Alles. «
»Lass uns hier rasten«, schlug der Kriegsberichterstatter vor. »In einem der Beutel ist noch etwas zu beißen. Wir essen und genehmigen uns ein Nickerchen.«
Sie schalteten die Motoren ihrer Fahrzeuge aus und stiegen ab. Neben ihnen raschelte unvermittelt eine dichte Masse karmesinroter Blätter und teilte sich wie zwei Vorhänge. Zum Vorschein kam ein kurzer Pfad, der zu einer wunderschönen, von Mohnblumen übersäten Lichtung führte.
»Ei der Daus! Wenn das keine Einladung ist, habe ich noch nie eine gesehen!«, stieß Wells hervor. »Was immer hinter deinen Mohnblumen steckt, hat offensichtlich auch Macht über diesen Dschungel.«
Sie betraten die Lichtung und setzten sich. Wells hatte eine der Gepäcktaschen mitgenommen, öffnete sie nun und holte einen Laib Brot sowie ein Stück Käse hervor. Die beiden Männer aßen.
Burton wirkte tief in Gedanken versunken. In seinen dunklen Augen lag ein gequälter Ausdruck, und seine Wangen waren eingefallen. Besorgt beobachtete ihn Wells aus dem Augenwinkel, als plötzlich etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregte. Am Randder Lichtung bewegte sich ein schwer mit birnenförmigen Kalebassen behangener Baum. Einer seiner Äste streckte sich knirschend und ächzend nach außen über die freie Fläche. Als Burton die Geräusche vernahm, drehte er den Kopf und beobachtete, wie der Ast eine Kalebasse über sie bewegte und absenkte, bis sie zwischen ihm und Wells baumelte.
»Ein Geschenk?«, fragte Wells.
Burton griff zu der roten, kürbisgroßen Frucht. Sie löste sich mühelos von dem Ast, der aus dem Weg schwang. Als Burton die Frucht betrachtete, öffnete sich an der Oberseite ein kleiner Riss, aus dem eine bernsteinfarbene Flüssigkeit quoll. Der Entdecker schnupperte daran, setzte eine überraschte Miene auf, kostete davon und schnalzte mit der Zunge.
»Du wirst es nicht glauben!«, sagte er, trank einen Schluck und reichte die Kalebasse an den Kriegsberichterstatter weiter.
Wells probierte.
»Das ist Brandy!«
Sie tranken, sie aßen, sie wurden von Sittichen beleidigt.
Die Nacht hielt Einzug. Die beiden Männer schliefen.
Bei Sonnenaufgang kehrten sie zu ihren Fahrzeugen zurück und folgten weiter der Spur der Mohnblumen.
»Entweder reite ich tatsächlich auf einem riesigen, dampfbetriebenen Weberknecht mit einem Mann aus der Vergangenheit durch einen wohlwollenden, lebendigen Dschungel«, dachte Wells laut nach, »oder ich träume.«
»Oder du bist völlig übergeschnappt«, fügte Burton hinzu.
Mittags gelangten sie zu einem steilen Anstieg, der zu beiden Seiten von hohen, spitzen, bläulichen Felsgebilden gesäumt wurde. Burton hielt seinen Weberknecht an und spähte durch das Geäst zu den Bergen, die über ihnen aufragten. Dann glitt er aus dem Sattel, bückte sich und inspizierte den Boden. Der Hang bestand aus Schiefergestein, das von einem Geflecht faseriger Wurzeln durchzogen wurde.
»Das ist er, Bertie.«
»Was?«
»Das ist der Pfad, der zum Tempel des Auges führt.«
»Dann nichts wie weiter!«
Burton stieg wieder auf und lenkte sein Fahrzeug den Anstieg hinauf und in den Schlund einer schmalen Schlucht. Dicht verschlungene Kletterpflanzen wuchsen an den felsigen Wänden zu beiden Seiten. Der Boden war mit tiefem Mulch überzogen, aus dem Mohn- und andere Blumen sprossen.
Als die Wände höher und die Schatten tiefer wurden, erschienen Schwärme von Glühwürmchen und
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