Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
diesen außergewöhnlichen Lebensstil entschieden hast.«
»Weil ich eine Frau bin.«
»Unbestreitbar. Und inwiefern ist das eine Antwort?«
»Nur so viel: Ich habe dein Eheversprechen nicht ausschließlich angenommen, weil ich dich geliebt habe, sondern auch weil ich in dir die Lösung für mein Problem und in mir selbst die Lösung für dein Problem gesehen habe.«
»Mein Problem?«
»Als wir uns kennengelernt haben, gab es für dich keine Sicherheit. Du warst haltlos. Ich hätte dir ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln können.«
Ein Windstoß erfasste sie, vertrieb den Duft von Nelken und trug den Gestank faulender Fische heran. Burton rümpfte die Nase, paffte an seiner Zigarre und schaute zu der Insel, die sich auf dem Meer abzeichnete.
»Und ich«, fuhr Isabel fort, »hätte in dir Befreiung vom erstickenden Korsett einer vornehmen englischen Dame finden können. Das meine ich natürlich metaphorisch.« Sie bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Nun ja, vielleicht nicht nur.«
Burton ließ ein Lächeln aufblitzen und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf sie.
»Was ich damit sagen will«, sprach Isabel weiter, »ich brauche etwas, das einer Frau zu geben das Empire nicht bereit ist.«
»Du meinst Freiheit?«
»Und Gleichheit. Ich bin keine Frau, die sich in Spitzengewänder verpackt in den Salon verdammen lässt, um ihre Tage damit zu fristen, Schonbezüge für Sitzmöbel zu häkeln. Warum soll ich zulassen, dass mein Verhalten von den Protokollen einer Gesellschaft bestimmt wird, die mir weder eine Stimme noch eine Vertretung zugesteht?«
»Ich glaube kaum, dass Beduinenfrauen in dieser Hinsicht bessergestellt sind«, murmelte Burton.
»Das stimmt. Aber zumindest heucheln sie nichts anderes. Außerdem bin ich keine Beduinenfrau. Und die Araber wissen nicht, was sie von mir halten sollen. Für sie bin ich eine Kuriosität, deren fremdartiges Gebaren sich weder verstehen noch beurteilen lässt. Ich habe eine Nische gefunden, in der die einzigen Regeln, die gelten, jene sind, die ich selbst erschaffe.«
»Und bist du glücklich?«
»Ja.«
»Wenn das so ist, Isabel, dann missbillige ich deinen Lebensstil nicht. Schon sehr bald nach unserer ersten Begegnung habe ich Mut und Klugheit in dir gesehen, und dafür habe ich dich stets bewundert. Ich begrüße deinen Hang zur Unabhängigkeit. Und es mag zutreffen, dass ich einmal unschlüssig war, was meine Person angeht, aber ich kann dir versichern, das ist nicht mehr der Fall. Als Agent des Königs erfülle ich einen Zweck. Ich habe nicht mehr das Gefühl, ein Außenseiter zu sein.«
Sie suchte seinen Blick. »Aber für eine Frau ist immer noch kein Platz in deinem Leben.«
Er sog erneut an seiner Zigarre, dann betrachtete er sie unzufrieden und schnippte sie über die Seite des Schiffes. »Ich habe unsere Verlobung aufgelöst, weil ich dachte, meine neue Rolle wäre zu gefährlich für jemanden, der eng mit mir verbunden ist. Mittlerweile weiß ich, dass ich damit richtiglag.«
»Ich verstehe«, sagte sie. »Und ich akzeptiere es. Aber wenn ich dich schon nicht als Isabel, deine Gemahlin unterstützen kann, dann als Al-Manat, die Kriegerin.«
»Ich will dich keiner Gefahr aussetzen, Isabel. Es war nett von euch, uns durch die Wüste nach Aden zu begleiten, aber es war nicht nötig, dass die Töchter der Al-Manat mit uns segeln.«
»Wir werden mit euch zu den Mondbergen marschieren.«
Burton schüttelte den Kopf. »Nein, werdet ihr nicht.«
»Bildest du dir immer noch ein, du hättest mir als Gemahl Befehle erteilen können? Dann muss ich dich enttäuschen. Abgesehen davon bist du nicht mein Ehemann, und ich nehme von niemandem Anweisungen entgegen. Wenn mir danach ist, meine Frauen neben deiner Expedition herzuführen, was kannst du tun, um mich davon abzuhalten?«
»Nichts.«
»Dann ist unsere Unterhaltung beendet.«
Damit ließ Isabel ihre Zigarette fallen, trat sie mit dem Absatz aus und stolzierte davon.
Die Elphinstone kreuzte zwischen scharfkantigen Korallenriffen hindurch und steuerte auf eine weiße arabische Ortschaft zu, beherrscht von einer schlichten Festung, die sich zwischen Nelkengebüsch, Kakaobäumen und prächtigen Palmen erhob. Obwohl die Sonne hoch am azurblauen Himmel stand, wirkte das Licht, das sie auf die Siedlung warf, dunstig und mild – vermutlich eine Wirkung der hohen Luftfeuchtigkeit, die den Ort wunderschön aussehen ließ.
Zwanzig Minuten später, als der Dampfer am Wachschiff vorbei ins
Weitere Kostenlose Bücher