Auf der Suche nach dem Auge von Naga: Roman (German Edition)
weitergegeben werden. Und doch erblühten sie in seinem herausragenden, schrecklichen Verstand, und er blendete uns alle mit seinem Genie. Insbesondere Mr. Charles Darwin zeigte sich dermaßen begeistert, dass Moral und ethische Grenzen für ihn endeten, wie ich mit Bedauern sagen muss. Beinahe erging es uns allen so in jener kleinen Gruppe von Wissenschaftlern. Ich schäme mich inzwischen für bestimmte Handlungen, die ich unter dem Einfluss jener riesigen Woge der Kreativität unternahm, die uns alle überschwemmte. Und ich fühle mich in gewisser Weise verantwortlich für die Wende zum Finsteren, welche die Eugenik schon bald nahm, nachdem sie sich als eigenständige wissenschaftliche Fachdisziplin etabliert hatte. Denn ich war es, die unter Mr. Galtons Anleitung sein Gehirn und das von Mr. Darwin vereinte, indem ich Techniken einsetzte, die, wie ich seither erfahren habe, ihrer eigentlichen Zeit um viele Jahrzehnte voraus waren. Die Kreatur, zu der Darwin/Galton infolge der Operation wurden, betrachte ich inzwischen als Monstrosität, aber damals stand ich in ihrem Bann, und wider besseres Wissen wurde ich zu einer Pionierin des schrecklichen Pfades, den die Eugenik beschritt. Oh, könnte ich nur zurückreisenund alles verändern! Der Tod von Darwin/Galton hat mich befreit und meine Vernunft wiederhergestellt, doch nun leide ich darunter, die Gräuel der Eugenik bezeugen zu müssen. Ich sehe die entsetzliche Geschwindigkeit, mit der sich ihre schauerlichen Techniken weiterentwickeln. Ich sehe, dass sie mittlerweile so weit über das ursprüngliche Konzept gelenkter Evolution hinaus ist, dass sie das Leben auf grauenhafte Weise pervertiert. Vielleicht ist es wahr, was viele behaupten: dass Mr. Darwin Gott getötet hat. Aber dass es die Eugenik gibt, lässt mich erkennen, dass es ihm nicht gelungen ist, auch den Teufel zu vernichten.«
Die Eugeniker: Ihre Geschichte und ihre Verbrechen,
FLORENCE NIGHTINGALE, 1865
E dward Oxford landete im Gras und wippte auf seinen gefederten Schuhen auf und ab. Als er sich umsah, erblickte er einen hügeligen Park, umgeben von großen Glasgebäuden mit leuchtenden Werbebannern an den Wänden. In der Nähe erhob sich die historische Silhouette des Monarchie-Museums, einstmals bekannt als Buckingham Palace, wo man die Relikte der verstorbenen britischen Königsfamilie ausstellte. Ein Überschallknall ertönte, als ein Shuttle in die Umlaufbahn eintrat. Über ihm sausten die Menschen in ihren Privatfliegern vorüber. Oxfords Kommunikationsverstärker funktionierte.
Er vergewisserte sich, dass er den Zylinder noch besaß, den er mitgenommen hatte. Dann rannte er zur bewaldeten Ecke des Parks, wobei ihm entging, dass im hohen Gras zu seiner Linken ein weißhaariger Mann mit einem Scharfschützengewehr, einem Schmuckkästchen und einem Handkoffer neben sich bewusstlos auf dem Boden lag.
Oxford duckte sich zwischen die Bäume und kämpfte sich durch das Gebüsch, bis er sich vor neugierigen Blicken sicher wähnte. Er löste den Nimtz-Generator von seiner Brust und legte ihn auf den Boden, zog seine Stelzenschuhe aus und stellte sie daneben. Dann streifte er den fischschuppigen Zeitanzug ab undhängte ihn über einen niedrigen Ast. Er griff nach oben an seinen Helm und zögerte kurz, bevor er den Kommunikationsverstärker ausschaltete und den Helm abnahm. Ein ekelhafter Geruch stieg ihm in die Nase, eine Mischung aus ungeklärtem Abwasser, fauligem Fisch und fossilen Brennstoffen. Er musste husten. Die Luft war schwer und diesig, gesättigt mit Feuchtigkeit. Sie reizte seine Augen und kratzte ihm in der Kehle. Er fiel auf die Knie, griff sich an den Hals, rang nach Luft.
Dann fiel ihm ein, dass er sich auf dies hier vorbereitet hatte. Er griff in die Jackentasche und zog ein kleines Instrument hervor, das er sich an die Seite des Halses hielt. Er drückte auf einen Schalter. Das Gerät zischte, und er verspürte einen kurzen Stich. Eine Sekunde später konnte er wieder atmen.
Oxford steckte das Instrument weg und ruhte sich einen Moment aus. Dass er nicht hatte atmen können, war eher ein Angstzustand gewesen als eine physische Störung. Sein Helm hatte ihn vor der Vorstellung geschützt, die Luft könnte zum Atmen nicht geeignet sein, jetzt übernahm das Beruhigungsmittel diese Aufgabe.
Fremdartige Geräusche drangen von der nahen Straße zu ihm herüber. Hufgetrappel, das Rattern von Rädern, die Rufe von Straßenhändlern.
Oxford stand auf, strich die Nachbildung der Kleider
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