Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
dieser spektralen Region lauern, sogar mehrere, molekulare Kohlenstofflinien. Da die Thoriumlinie aber stärker als die Uranlinie ist, ist die Überdeckungsgefahr wesentlich geringer ausgeprägt.
Angesichts all dieser Bedingungen sind Kandidaten für die Altersbestimmung mit einem Uran-Chronometer extrem selten. Aus diesem Grund gibt es nach wie vor insgesamt nur drei metallarme Sterne, in denen Uran detektiert werden konnte, obwohl eine der drei Detektionen umstritten ist. Fast ein Lehrbuchbeispiel ist dagegen der im Jahr 2005 im Halo der Milchstraße entdeckte Stern HE 1523–0901. Der in der Hamburg/ESO-Durchmusterung gefundene helle Stern war eines der Objekte in der Stichprobe, die die Grundlage meiner Doktorarbeit bildete. Ich konnte später die bislang größten relativen Häufigkeiten von r-Prozess-Elementen in diesem Stern messen – unter ihnen auch Thorium und Uran. In Abbildung 5.8 ist die Spektralregion mit der winzigen Uranlinie in HE 1523–0901, auch im Vergleich zu CS 31082–001, gezeigt. HE 1523–0901 ist der erste Stern, für den mehr als ein Chronometer benutzt wurde. So konnte ich sein Alter mit sieben verschiedenen Chronometern auf 13,2 Milliarden Jahre bestimmen. Ein solches Alter stimmt gut mit dem vom Planck-Satelliten berechneten Alter des Universums von 13,8 Milliarden Jahren überein.
Abb. 5.8: Unten: Region im normalisierten Spektrum von HE 1523–0901 um die Uranlinie bei 385.9 nm herum. Runde Punkte geben das beobachtete Spektrum wieder, während die durchgezogene Linie das am besten passende synthetische Spektrum darstellt. Die gepunktete Linie zeigt an, wie stark die Uranlinie ausgeprägt sein würde, wenn Uran nicht über die letzten 13 Milliarden Jahre zerfallen wäre. Oben: Detailausschnitt direkt um die Uranlinie herum. HE 1523–0901 wird mit dem anderen »Uran-Stern« CS 31082–001 verglichen. CS 31082–001 ist HE 1523–0901 sehr ähnlich, nur dass er 200 Grad Kelvin wärmer ist. Dementsprechend sind seine Absorptionslinien bei gleicher Häufigkeit schwächer ausgeprägt als in HE 1523–0901 . Die durchgezogenen Linien zeigen mehrere synthetische Spektren mit unterschiedlichen Uranhäufigkeiten. Die mittlere passt am besten und bestimmt so die Uranhäufigkeit. Die gestrichelte Linie zeigt, wie das Spektrum aussehen würde, wenn kein Uran im Stern vorhanden wäre; dieses Spektrum stimmt nicht mit der Beobachtung überein.
Alle einzelnen stellaren Altersbestimmungen unterliegen unter Umständen aber großen Messunsicherheiten, welche sowohl auf die Häufigkeitsbestimmungen der Elemente als auch auf den berechneten Anfangswert der Elementhäufigkeiten in der Supernova zurückgehen. Sie können bei mehreren Milliarden Jahren liegen, je nachdem, mit welchem Chronometer ein Alter bestimmt wurde.
Trotz der Unsicherheiten der Einzelmessungen kann mit der gesamten Gruppe der extrem metallarmen r-Prozess-Sterne und allen ihren Chronometern die entscheidende Frage nach dem Alter der ältesten Sterne nun endlich beantwortet werden: Sie sind fast so alt wie das Universum selbst. Denn Sternalter von 12 bis 14 Milliarden Jahren sind in allen diesen Sternen gemessen worden. Diese Tatsache macht die Unsicherheiten der einzelnen Altersbestimmungen wieder wett.
Ein für die Stellare Archäologie enorm wichtiger Punkt ist nun folgender: Sind alle metallarmen Sterne tatsächlich fast so alt wie das Universum? Dies ist ja eine der Annahmen, auf denen die Stellare Archäologie aufbaut. Die Frage kann generell mit »Ja« beantwortet werden. Grund dafür ist, dass sich die r-Prozess-Sterne in den Häufigkeiten der leichteren Elemente in keiner Weise von anderen, gewöhnlichen metallarmen Sternen mit sehr viel niedrigeren Häufigkeiten in den Neutroneneinfangelementen unterscheiden. Die r-Prozess-Sterne haben ihre r-Prozess-Elemente lediglich als eine »Extraportion« bei ihrer Geburt dazubekommen. Solange Sterne ähnlich niedrige Metallizitäten aufweisen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auch ähnlich alt sind. Ein Nebeneffekt dieser Erkenntnis ist die Bestätigung der Annahme, dass metallarme Sterne Massen von 0,6 bis 0,8 Sonnenmassen haben. Nur wenn Sterne eine solche Masse haben, können sie als die ältesten Sterne seit dem Urknall bis heute überlebt haben.
Bei meiner Suche nach den metallärmsten Sternen war die Entdeckung von HE 1523–0901, dem ältesten bekannten und am besten datierten Stern, sehr spannend. Ich hatte einem befreundeten Astronomen einige meiner hellen Sterne
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