Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
halben Stunde, nach diversen Checks, ob das Teleskop und die Instrumente auch wirklich keinen Schaden genommen hatten, konnte ich wieder aufatmen. Müde war ich danach nicht mehr.
Der andere Weg in den Keller verläuft über eine Gittertreppe, die vom Kontrollraum im zweiten Stock außen um das halbe Teleskopgebäude läuft. Aufgrund meiner Erfahrung mit der Lichtschranke bevorzugte ich diesen Weg über die Außentreppe. Dabei konnte ich gleichzeitig schauen, wie die Wetterlage war und wo der Mond gerade am Himmel stand. Bei schlechtem oder kaltem Wetter war aber auch die Außentreppe nicht immer ganz angenehm. Oft wehte der Wind ziemlich stark, so dass man sich an das Treppengeländer klammern musste, während man fröstelnd die Taschenlampe in der Hand hielt. Zusätzlich war auch dieser Weg nicht frei von Überraschungen. So war ich nicht darauf gefasst, mit meiner Taschenlampe am Ende der Treppe plötzlich zwei, dann vier, dann sechs grell erstrahlende Augen direkt vor mir auftauchen zu sehen. Es waren ein paar grasende Kängurus, die in Ruhe vor sich hinkauten. Denn wenn ein Känguru sich aufrichtet, befinden sich seine Augen in etwa auf der eigenen Augenhöhe. Ich hatte sie anscheinend beim Essen gestört. Aber ich bin vor Schreck selbst erst einmal wie ein Känguru gehopst.
Kängurus sieht man zumindest an australischen Observatorien häufig, sowohl tagsüber wie auch nachts. Aber es gibt noch jede Menge andere, kleinere Kreaturen. Einmal wollte ich während einer langen Belichtungszeit von außen die Tür in den Teleskopkeller öffnen. Gerade in diesem Moment quakte eine riesige Kröte im Dunkeln direkt zu meinen Füßen laut los. Diverse Spinnen, Tausendfüßler und sonstiges Kriechgetier, die auf dem Boden des Untergeschosses fleißig herumkrabbelten, sowie der miefig-faule Geruch des alten Untergeschosses rundeten jeden Besuch dort in eindrücklicher Weise ab.
Ab und zu war es am 2,3 m-Teleskop also doch etwas gespenstisch. Draußen ist es stockfinster, man ist ganz allein, und es gibt alle möglichen Geräusche, mit denen man nicht vertraut ist. Oft heult der Wind und rüttelt an der Außentür und am Teleskop. Zu all dem wird man immer müder, je später es in der Nacht wird. Aber natürlich darf man nicht einschlafen, denn man muss ja das Teleskop bedienen und Sterne beobachten. Aufgerüttelt wird man besonders dann, wenn das Teleskop von einem Objekt am Himmel zum nächsten fährt oder das Teleskop während einer längeren Beobachtungszeit nachgeführt werden muss, um die Erddrehung zu kompensieren. Dabei verursachen die schweren Motoren der Teleskop-Kuppel recht plötzlich laute Geräusche. Während der tiefen Stille der Nacht habe ich mich regelmäßig erschrocken oder bin schlaftrunken fast vom Stuhl gefallen, da es sich jedes Mal so anhörte, als ob jemand einbrechen wolle. Dabei hatte das Teleskop nur brav seinen Job getan.
Damit gleich noch ein weiterer Student das Beobachten lernen konnte, schickte ihn unser gemeinsamer Betreuer zu mir mit nach Siding Spring. Allerdings sollte er erst einige Nächte später ankommen. Also absolvierte ich die ersten drei meiner Nächte alleine. Abbildung 8.C im Farbbildteil zeigt das eigentliche Teleskop mit dem Spektrographen, den ich benutzte. Kleinere Teleskope wie das 2,3 m-Teleskop werden außer von der Technik-Crew am Tag nachts nicht betreut. Dementsprechend bekommt man keine wirklich Hilfe beim Beobachten. Das bedeutete, dass ich die ganze Nacht lang allein im Kontrollraum des Teleskops irgendwo im australischen Busch saß und komplett auf mich allein gestellt war.
Abb. 8.C
Nachdem der Studenten-Kollege auch am Observatorium angekommen war, klärte ich ihn erst einmal über die Motoren-Sirene auf. Denn dieses Geräusch wollte ich so schnell nicht wieder hören. Nach meinem Bericht über das Teleskop mit seinen Instrumenten, Sirenen und dem miefigen Kriechtier-Keller kamen wir schnell zu dem Schluss, dass wir eigentlich besser Kriminalgeschichten schreiben sollten. Denn ein Observatorium würde sich doch gut als Tatort für dramatische Szenen eignen. So ging in unseren müden Köpfen morgens um 4 Uhr die Phantasie mit uns durch. Kurz darauf verfiel mein Kollege dann noch auf die Idee, mit einem lauten »Buhuuu« aus dem Dunkeln direkt von hinten auf mich loszuspringen. Das war nicht mehr so witzig. Trotz all dieses frühmorgendlichen Schabernacks waren wir aber doch gute und gewissenhafte Beobachter. Immer überprüften wir draußen den Himmel. Ist es
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